HGM Wissensblog

Objekt des Monats April 2017

Rücktrittsangebot von Kriegsminister Theodor Graf Baillet von Latour (15. Juni 1780 – 6. Oktober 1848) vom 6. Oktober 1848.

Hinter diesen wenigen dürren Worten des Dokuments verbirgt sich nicht nur eine dramatische Begebenheit aus der Geschichte der Wiener Oktoberrevolution 1848, sondern auch die persönliche Tragödie des Verfassers dieser Zeilen, welcher wenige Minuten nach der Abfassung dieser Erklärung von aufgebrachten Wiener Bürgern ermordet sein sollte.

Theodor Baillet Graf von Latour wurde, nach dem er bis dahin eine glänzende Offizierskarriere durchlaufen und es bis zum Rang eines Feldzeugmeisters gebracht hatte, am 6. April 1848 zum k.k. Kriegsminister ernannt. Da er in dieser Stellung den Banus von Kroatien, Joseph Graf Jelačić von Bužim, in seinem Kampf gegen die aufständischen Ungarn unterstützte, zog er sich den allgemeinen Hass der revolutionär eingestellten Wiener Bevölkerung zu. Als er dann am 4. Oktober 1848 die Verlegung eines Teils der Wiener Garnison an den ungarischen Kriegsschauplatz befahl, kam es zur Meuterei der Truppen und zu Kämpfen zwischen kaisertreuen Einheiten einerseits und der Wiener Bevölkerung und der Nationalgarde andererseits in Floridsdorf, die sich schließlich in die Stadt hinein verlagerten.

Es kam zu verlustreichen Straßenkämpfen in der Innenstadt und sogar Schusswechseln innerhalb des Stephansdomes. Vom Wiener Volk in seinen Amtsräumen im Kriegsministerium am Platz Am Hof belagert und mit dem Tode bedroht schrieb Latour in äußerster Bedrängnis, in der Hoffnung dadurch sein Leben zu retten, das vorliegende Dokument. Als er, nachdem ihm das freie Geleit zugesichert worden war, das Gebäude verlassen wollte, wurde er jedoch im Hof mit einem Hammerschlag auf den Kopf und durch Hieb- und Stichwaffen niedergestreckt und anschließend seine Leiche an einem Laternenpfahl aufgehängt und mehrfach geschändet.

Dieser Brief wurde dem Heeresgeschichtlichen Museum im Jahre 2010 in einem Konvolut von Dokumenten betreffend Theodor Baillet von Latour als Schenkung übergeben und ist nun im Rahmen der Sonderausstellung „ ‚Museumsding‘ – gekauft, geschenkt, vermacht – Neuerwerbungen der Jahre 2007-2017“ zu sehen.

Peter Enne

HR Mag. Peter Enne
Bis zu meiner Pensionieung im Dezember 2020 war ich Leiter des Sammlungsreferates "Audio und visuelle Medien".

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