HGM Wissensblog

Objekt des Monats März 2021

„Märzgruppe 1848“ (Selbstporträt)
Joseph Matthäus Aigner (1818 – 1886)
Öl auf Leinwand, 45 x 36 cm; Ankauf aus Auktion

Mit einer hochinteressanten Biographie kann der Biedermeiermaler Joseph Matthäus Aigner aufwarten: er war Sohn eines Goldschmieds und erlernte zunächst das Handwerk des Vaters. Es zog ihn jedoch zur Malerei und so gelang es ihm, Schüler des berühmten Friedrich von Amerling (1803 – 1887) zu werden, wo er sich zu einem „vortrefflichen Porträtmaler“1 bildete und bereits im Alter von 19 Jahren von seiner Kunst leben konnte. Der in älteren Biographien als „friedlicher Künstler“2 Bezeichnete war jedoch auch Revolutionär. So stellte er sich im gegenständlichen Gemälde selbstbewusst, in den revolutionären Farben schwarz-rot-gold, flankiert von einem Trommelschläger und einem Fahnenträger, als Teil einer „Märzgruppe 1848“ dar.

Im Oktober 1848 wurde er sogar Kommandant der (am 25. Mai 1848 behördlich offiziell aufgelösten) Akademischen Legion und führte diese in den Kämpfen gegen die nach Wien vorrückenden kaiserlichen Truppen an. Nach der endgültigen Niederlage am 31. Oktober verbarg sich Aigner zunächst, wurde jedoch am 11. November gefangen genommen und am 23. November 1848 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

Joseph Matthäus Aigner (1818 – 1886): „Märzgruppe 1848“ (HGM)

Einflussreichen Freunden hatte es Aigner zu verdanken, dass ihn Fürst Alfred I. zu Windisch-Graetz (1787 – 1862) „ohne Bedingung“ begnadigte. So wandte sich der gescheiterte Revolutionär wieder der Kunst zu und begab sich unter die Fittiche seines Mentors Carl Rahl (1812 – 1865). Aus dem Revolutionär wurde wiederum ein gefragter Porträtmaler und treuer Bürger der Monarchie. So porträtierte er Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth in Lebensgröße; und fertigte im Auftrag des Erzherzogs Ferdinand Maximilian Kopien berühmter österreichischer Meister aus der Galerie im Schloss Belvedere für dessen geplantes Museum in Mexiko an, was durch die Hinrichtung des Auftraggebers 1867 ein vorzeitiges Ende fand. Sogar den gefürchteten Gendarmerie- und Polizeichef Johann Franz Kempen von Fichtenstamm (1793 – 1863) porträtierte Aigner 1859 in Lebensgröße, das 254 x 158 cm große Gemälde befindet sich neben zwei weiteren Offiziersporträts von Aigners Hand in den Sammlungen des Heeresgeschichtlichen Museums. Besonders rätselhaft sind die Umstände seines Suizids. Der in „weiten Kreisen angesehene und beliebte“3 Aigner erhängte sich zu Beginn seines 69. Lebensjahres, eine Begründung hinterließ er der Nachwelt nicht.

 

Joseph Kriehuber (1800 – 1876): Portrait Joseph Matthäus Aigner, Lithographie, signiert/datiert 1848 (WP)

1 Joseph Matthäus Aigner, in: Ulrich Thieme, Felix Becker (Hg.), Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Band 1, Leipzig 1907, S. 148.

Constantin von Wurzbach, Aigner, Joseph Matthäus. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 1. Theil. Wien 1856, S. 9.

3 Aigner, Thieme- Becker, S. 148.

 

Walter Albrecht

HR Dr. Walter Albrecht
Kunsthistoriker und Historiker sowie Sammlungsleiter Kunst im Heeresgeschichtlichen Museum/Militärhistorischen Institut. Gemeinsam mit meinen sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bin ich für die Verwaltung aller Objekte mit kunsthistorischem Bezug wie Gemälde, Druckgrafiken, Aquarelle und Handzeichnungen, Skulpturen und Plastiken sowie Miniaturen zuständig. Dies umfasst u. a. Ausstellungswesen, Leihverkehr, Akquisition, Konservierung, Restaurierung und Depotwesen. Meine Forschungsinteressen liegen in der Kunst- und Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, besonders des Dreißigjährigen Krieges; sowie der Kunst des Ersten Weltkrieges mit dem Schwerpunkt Kriegsmaler im k.u.k. Kriegspressequartier.

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