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Der „Kriegsfürsorge-Fächer“ oder „Heerführer-Fächer“

Gleich zu Beginn des 1. Weltkrieges wurden in Wien das „Kriegshilfsbüro des k.k. Ministerium des Innern“ und das „Kriegsfürsorgeamt des k.u.k. Reichskriegsministeriums“ errichtet.

Deren beider Aufgabe war es unter anderen, Spendengelder für die notleidenden Frauen und Kinder von Soldaten, aber auch für die Fürsorge der Verwundeten und Versehrten zu sammeln.

Aus diesem Grunde wurden verschiedene Abzeichen, Schmuckstücke, aber auch Kunstgegenstände eigens erzeugt und zum Verkauf angeboten.

Neben diesen patriotischen Souvenirartikeln, wurden auch Gebrauchsgegenstände des Alltags, wie Zigarettenhülsen, Stifte, Trinkgläser etc. produziert.

Der Erlös aus dem Verkauf diente dem vorhin genannten Zweck.

Bemerkenswerterweise waren alle diese Objekte und sogenannten „Patriotika“ anfangs in sehr hoher Qualität angefertigt und teilweise von bedeutenden Künstlern entworfen.1

Waren die Objekte von 1914 bis 1916 noch sehr facettenreich und qualitativ hochstehend, änderte sich dies mit der Fortdauer des Krieges. Bis zum Kriegsende 1918 wurde die Qualität insbesondere bei den zahlreichen Spendenabzeichen immer schlechter, ein Zeichen für den Mangel in allen Bereichen des täglichen Lebens. Bis auf einfache Abzeichen, wurden ab 1917 kaum noch neue Objekte entworfen.

Unter den zahlreichen Gegenständen hebt sich ein Gegenstand heraus, der speziell für die Damenwelt gedacht war – ein Fächer.2

War dieser damals ein fast täglich verwendetes modisches Accessoire, erscheint er uns heute als exotisches Element einer vergangenen Zeitepoche.

Der „Kriegsfürsorge-Fächer“ wird in den Jahren 1915 und 1916 in drei verschiedenen Verkaufskatalogen mit jeweils unterschiedlicher Bezeichnung erwähnt:3

  • Verkaufs-Gegenstände zugunsten der offiziellen Kriegsfürsorge. Hg.: k.u.k. Kriegsministerium, Kriegsfürsorgeamt. Wien, ohne Jahr [1915]. Seite 8: „Fächer mit den Porträts unserer Heerführer“.
  • Verzeichnis der offiziellen Kriegserinnerungsgegenstände des Kriegshilfsbüros des k.k. Ministerium des Innern. Wien, 1915. Seite 16: unter der fortlaufenden Nummer 11 als „Kriegsfürsorge-Fächer“.
  • Verzeichnis der offiziellen Kriegserinnerungsgegenstände zugunsten des Roten Kreuzes, des Kriegshilfsbüros und des Kriegsfürsorgeamtes. Hg.: Kriegshilfsbüro des k.k. Ministerium des Innern. Wien, ohne Jahr [1916]. Seite 29: unter der fortlaufenden Nummer 697 als „Heerführer-Fächer“.

Sämtliche „Fächerblätter“ sind aus Karton gefertigt. Sie zeigen an der Vorderseite neben den beiden verbündeten Herrschern und ihren Thronfolgern führende Militärs.

Die Rückseite ist einheitlich gestaltet und erinnert im Muster an eine Holzmaserung.

Der Künstler aller Darstellungen ist der österreichische Maler August Patek (1874-1958),4 dessen Signatur auf den Fächerbildern eindeutig erkennbar ist.

An der Rückseite des Fächerblatts mit der Darstellung von Kaiser Franz Joseph I. ist die Erzeugerfirma vierzeilig gedruckt: „GESETZL. GESCHÜTZT / HERMES, BUCH & KUNSTDRUCKEREI / GESELLSCHAFT M.B.H. / WIEN XVII.“

Firmenbezeichnung an der Rückseite (/28/237)

Es gibt Ausgaben, bei denen sich an der Rückseite eines Fächerblatts zusätzlich ein Stempel des Roten Kreuzes oder einer anderen Organisation befindet.

Üblicherweise sind die beiden außen befindlichen hölzernen „Deckstäbe“ blank. Bei manchen Ausgaben ist am oberen Deckstab eine hochovale goldfarbene Papieretikette mit dem Wappen des österreichisch-ungarischen Roten Kreuzes angebracht.

Hochovale goldfarbene Papieretikette mit dem Wappen des österreichisch-ungarischen Roten Kreuzes (/28/237)

Es gibt auch Fächer, die stattdessen eine längliche Papieretikette mit diesem Zeichen und dem Schriftzug „WELTKRIEG 1914 1915“ aufweisen.

Längliche Papieretikette mit dem Wappen des österreichisch-ungarischen Roten Kreuzes und dem Schriftzug „WELTKRIEG 1914 1915“ (/28/801)

In allen Katalogen werden immer zwei verschiedenen Größen angeboten:

Die „Kleine Ausgabe“ – die Länge des Fächers beträgt ca. 16 cm – zeigt 17 Porträts, neben den beiden verbündeten Monarchen von Österreich und Deutschland auch die beiden Kronprinzen, sowie führende Offiziere aus Österreich und den deutschen Chef der obersten Heeresleitung, zum Preis von 1 Krone.

Kleiner Fächer, am oberen Deckstab befindet sich eine hochovale goldfarbene Papieretikette mit dem Wappen des österreichisch-ungarischen Roten Kreuzes (/28/237)
Kleiner Fächer, am oberen Deckstab befindet sich eine längliche Papiereikette mit dem Wappen des österreichisch-ungarischen Roten Kreuzes und dem Schriftzug „WELTKRIEG 1914 1915“ (/28/801)

Die „Große Ausgabe“ – die Länge des Fächers beträgt ca. 26 cm – zeigt nur 14 Portraits, es fehlen die folgenden Nr. 1, 16 und 17, zum Preis von 2,50 Kronen.

Großer Fächer, am oberen Deckstab befindet sich eine hochovale goldfarbene Papieretikette mit dem Wappen des österreichisch-ungarischen Roten Kreuzes (Privatbesitz)

Die dargestellten Personen sind, von links beginnend:

  1. Hermann Kusmanek von Burgneustädten, Generaloberst;
  2. Svetozar Boroevic von Bojna, Feldmarschall;
  3. Viktor Graf Dankl von Krasnik, Generaloberst;
  4. Franz Graf Conrad von Hötzendorf, Generaloberst;
  5. Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, preußischer Generalfeldmarschall;
  6. Erzherzog Joseph Ferdinand von Österreich-Toskana, Generaloberst;
  7. Erzherzog Friedrich von Österreich, Feldmarschall;
  8. Wilhelm II., König von Preußen und deutscher Kaiser;
  9. Franz Joseph I., Kaiser von Österreich;
  10. Kronprinz Wilhelm von Preußen;
  11. Erzherzog Karl von Österreich, der spätere Kaiser Karl I.;
  12. Erzherzog Eugen von Österreich, Feldmarschall;
  13. Erzherzog Joseph August von Österreich, Feldmarschall;
  14. Alexander Krobatin, Feldmarschall und Kriegsminister;
  15. Anton Haus, Großadmiral;
  16. Eduard von Boehm-Ermolli, Feldmarschall;
  17. Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin, Generaloberst.

Alle Dargestellten sind mit ihrem höchsten und zuletzt erreichten Dienstgrad genannt. Bei den Bildern sind nur Kaiser Franz Joseph I. und Erzherzog Friedrich mit den Rangabzeichen eines Feldmarschalls dargestellt. Alle anderen Österreicher tragen die eines Generals, bei der Marineuniform ist kein Rang erkennbar.

Literatur:

Heinrich Fuchs. Die Österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts. Band 3. Wien, 1973.

Tristan Loidl. Andenken aus Eiserner Zeit. Patriotische Abzeichen der österreichisch-ungarischen Monarchie von 1914 bis 1918. Wien, 2004.

Verkaufs-Gegenstände zugunsten der offiziellen Kriegsfürsorge. Hg.: k.u.k. Kriegsministerium, Kriegsfürsorgeamt. Wien, ohne Jahr [1915].

Verzeichnis der offiziellen Kriegserinnerungsgegenstände des Kriegshilfsbüros des k.k. Ministerium des Innern. Wien, 1915.

Verzeichnis der offiziellen Kriegserinnerungsgegenstände zugunsten des Roten Kreuzes, des Kriegshilfsbüros und des Kriegsfürsorgeamtes. Hg.: Kriegshilfsbüro des k.k. Ministerium des Innern. Wien, ohne Jahr [1916].


1 Vgl.: Tristan Loidl. Andenken aus Eiserner Zeit. Patriotische Abzeichen der österreichisch-ungarischen Monarchie von 1914 bis 1918. Wien, 2004.

2 https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%A4cher [22.04.2021]; die im folgenden verwendeten Fachbegriffe sind diesem Eintrag entnommen. Demnach handelt es sich typenmäßig bei dem besprochenen Fächer um einen Brisé- oder Faltfächer.

3 Diese drei Verkaufskataloge sind sehr selten und nur in wenigen Exemplaren bekannt. Im Privatarchiv des Autors befinden sich alle drei in Kopie, die auch für diese Arbeit verwendet wurden. Die beiden Kataloge ohne gedruckter Jahresangabe, können aber aufgrund des Inhalts auf das in der eckigen Klammer genannte Jahr festgesetzt werden.

4 Akademischer Maler August Patek lebte in Wien, wo er auch begraben wurde. Er ist als Maler und Buchschmuckkünstler bekannt. Sein Grab befindet sich am Friedhof Ober St. Veit in Wien. Vgl.: Heinrich Fuchs. Die Österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts. Wien, 1973. Band 3, Seite k75.

Peter Steiner

OR ObstdhmfD Prof Mag. Peter Steiner
Historiker und Milizoffizier, zuständig für Orden, Ehrenzeichen, Abzeichen, Medaillen, Uniformen und Insignien. Studium der Geschichte, Numismatik und Museumskunde; Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar und Offizier im Bundesheer.
Nach dienstlichen Verwendungen im Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum (Narrenturm) und der Österreichischen Nationalbibliothek, bin ich seit Jänner 2016 im Heeresgeschichtlichen Museum tätig. Neben der k.u.k. Armee von 1848-1918, gilt mein persönliches Interesse vor allem der Geschichte des österreichischen Bundesheeres der Ersten und der Zweiten Republik; zahlreiche Publikationen zur Phaleristik (der wissenschaftlichen Ordenskunde) und Militärgeschichte.

1 Kommentar

  • Großartig wie du ein der Allgemeinheit eigentlich unbedeutendes Stück beschreibst. Denn dadurch wird es zu einem ganz besonderen, historischem Sammlungsstück.

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