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Der Untergang Magdeburgs und seine Darstellung in Schrift und Bild

23. Mai 1618: Vertreter der protestantischen Stände stürzen die kaiserlichen Statthalter und den Kanzleisekretär aus den Fenstern der Prager Burg. - Kupferstich von Matthäus Merian, 1662 in Frankfurt a. M. veröffentlicht (C) Wikimedia Commons

Der Dreißigjährige Krieg – ausgelöst durch den Prager Fenstersturz am 23. Mai 16181 – tobte bis Ende des Jahres 1648 und hinterließ ein gewaltiges Maß an Chaos, Leid und Tod. Ungefähr 40% der Deutschen sollten diesem gewaltigen Konfessionskonflikt zum Opfer fallen, nicht allein durch aktive Kampfhandlungen, sondern vor allem durch Krankheiten und Hunger.2 Die Verlustzahlen fallen wohl gerade deshalb so hoch aus, weil die Zivilbevölkerung im Fortlaufe des Krieges immer weniger geschont wurde. Heerscharen von Söldnern beider Kriegsparteien zogen durch die deutschen Lande und plünderten alles in ihrem Pfad aus.3 Ob es sich um Freund oder Feind handelte, spielte für die betroffene Landbevölkerung dabei keine wesentliche Rolle, sie wurde als Ressourcenlieferant ausgepresst und konnte oftmals froh sein, mit dem Leben davonzukommen. Der Dreißigjährige Krieg fand, so gesehen, nicht einmal in erster Linie auf den Schlachtfeldern statt, sondern er drang selbst in die Rückzugsräume der Zivilbevölkerung vor und erzeugte somit eine prekäre Form von Gewalt, welche zudem eine gewisse Alltäglichkeit annahm.4

Trotz dieser alltäglichen Gewaltkomponente stach in der zeitgenössischen Wahrnehmung ein Ereignis aus dem grausamen Ringen zwischen Katholiken und Protestanten besonders hervor: Die Zerstörung Magdeburgs – das Bollwerk der Reformation im deutschen Norden schlechthin – durch kaiserliche Truppen am 10./20. Mai 1631.5 Das Besondere war dabei weniger die Tatsache, dass es im Zuge der Eroberung zu Übergriffen und Plünderungen kam, denn diese entsprachen dem damaligen Kriegsrecht und waren üblich, wenn eine Stadt  die Kapitulation verweigerte.6 Es war vielmehr das Ausmaß des Massakers, das die Eroberung Magdeburgs annahm: Mindestens 20.000 Menschen7 fanden den Tod, wobei die meisten wohl nicht durch die Soldateska, sondern durch das Feuer umkamen, welches nach Beginn der Erstürmung die Stadt verheerte. Der 20. Mai 1631, der Tag des Untergangs von Magdeburg, war also mit Abstand der blutigste Tag des Dreißigjährigen Krieges.8

Die Zerstörung Magdeburgs stellte ein Fanal dar, das in vielfältiger publizistischer Form behandelt wurde. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Bezeichnung, welche diesem Ereignis unmittelbar danach sowohl von der katholischen, als auch der protestantischen Kriegspartei gegeben wurde: „Magdeburger Hochzeit“. Dieser Begriff, der aus heutiger Sicht wohl eher einem Euphemismus gleichkommt, dürfte den Schrecken der Zerstörung jener Elbmetropole wohl nur unzureichend eingefangen haben. Eine hinreichende historische Kontextualisierung ist unerlässlich, um die Tragweite des Untergangs von Magdeburg für die zeitgenössische Berichterstattung deutlich zu machen.

Gustav Adolf II. von Schweden war ab dem Sommer 1630 der wichtigste Verbündete und Hoffnungsträger der Verteidiger Magdeburgs. Zur Befreiung der Stadt kam er mit seiner Armee jedoch zu spät. - Kupferstich von Matthäus Merian, 1633 (C) Picryl Public Domain

Die Bedeutung Magdeburgs für den norddeutschen Kriegsschauplatz

Am 6. Juli 1630 landeten schwedische Truppen unter ihrem König Gustav II. Adolf auf der Insel Usedom und errichteten unverzüglich in Pommern einen Brückenkopf für ihr weiteres Vorgehen. Nach den 1629 aus dem Krieg ausgeschiedenen Dänen griff nun eine weitere protestantische Großmacht aktiv in den reichsinternen Konfessionskonflikt ein. Die Ankunft der Schweden setzte die evangelischen Fürsten des Reiches jedoch gewaltig unter Druck, denn für sie war Gustav Adolf zwar Glaubensgenosse, aber eben auch ausländischer Eroberer.9 Eine Neutralitätshaltung, auf die sich viele Landesherren im Norden berufen wollten, war dem Schwedenkönig ein Dorn im Auge, er erachtete diesen diplomatischen Weg als unehrenhaft. Einem Emissär des Kurfürsten von Brandenburg machte er dies mit folgenden Worten klar:

„Ich will von keiner Neutralität nichts wissen noch hören. S. Ld. [Seine Liebden] muß Freund oder Feind sein. Wenn ich an ihre Grenze komme, so muß sie kalt oder warm sich erklären. Hier streitet Gott und der Teufel. Will S. Ld. [Seine Liebden] es mit Gott halten, wohl, so trete Sie zu mir; will sie es aber lieber mit dem Teufel halten, so muß Sie fürwahr mit mir fechten, tertium non dabitur, das seid gewiß.“10

Somit trieb Gustav Adolf die protestantischen Stände in einen Zwiespalt, welche einerseits für die Verteidigung des Protestantismus einstehen, sich aber andererseits nicht mit einer ausländischen Macht gemein machen wollten. Die Stadt Magdeburg teilte weder die Vorbehalte der protestantischen Fürsten gegenüber den schwedischen Motiven, noch hatte sie Skrupel, sich mit einer protestantischen Schutzmacht aus dem Ausland zu verbünden. Im Gegenteil, Magdeburg zählte zu den ersten Verbündeten Gustav Adolfs auf deutschem Boden. Die Tatsache, dass Magdeburg schon einmal im Sommer 1629 durch die Truppen Albrecht von Wallensteins belagert worden war, dürfte zu diesem Entschluss sicher entscheidend beigetragen haben. Die kaiserlichen Truppen waren gegen eine Zahlung von 10.000 Talern wieder abgezogen, was sich angesichts der ursprünglichen Forderung nach 300.000 Talern Kontribution für die Bewohner der Stadt wie ein Sieg anfühlte.11 Doch war die Ruhe nur von kurzer Dauer, denn seit Herbst 1630 fand sich Magdeburg erneut in einer Belagerungssituation wieder, diesmal angeführt von den Generälen Tilly und Pappenheim.12 Das Selbstbewusstsein der Magdeburger war allerdings zu Beginn dieser Belagerung durchaus beachtlich: Schließlich hatte sich ihre Stadt den Ruf, das uneinnehmbare Bollwerk der Reformation zu sein, bereits durch ihr Standhalten gegen die kaiserlich-katholischen Armeen im Schmalkaldischen Krieg Mitte des 16. Jahrhunderts verdient.13 Ein erfolgreicher Widerstand hätte also durchaus Strahlkraft auf das gesamte protestantische Lager zu entwickeln vermocht.

Doch gab es neben einer moralischen auch eine wirtschaftlich-strategische Komponente, die Magdeburg zu einem elementaren Baustein katholischer wie protestantischer Kriegsplanungen machte: Die Stadt war aufgrund der wirtschaftlich günstigen Lage von herausragender Bedeutung. Wer Magdeburg kontrollierte, hatte auch den Schiffsverkehr auf der Elbe unter Kontrolle.14 Gerade deshalb kam General Pappenheim zu dem Schluss, Magdeburg sei „Fundament und Centrum des Krieges“,15 woraus er die Notwendigkeit eines schnellstmöglichen ernsthaften Angriffs auf die Elbfestung ableitete. Hierfür gedachte er, seine Streitkräfte mit weiteren 2000 Reitern und 2000 Infanteristen aus der kaiserlichen Hauptheeresmasse, die General Tilly unterstand, zu verstärken. Doch für Tilly erschien dies als ein unsinniges Vorhaben. Es sei mit derart geringen Kräften unmöglich, die Stadt einzunehmen, belehrte er Pappenheim: „Ihr müsst wissen, daß ihr die ländlichen Bauern nicht, sondern einen guten Wall und Soldaten vorhabt.“16

Sicherlich eine zutreffende Einschätzung, denn die magdeburgischen Verteidigungsstreitkräfte unter dem schwedischen Kommandanten Falkenberg verfügten immerhin über 3000 Mann,17 die sich eines Angriffs durch Pappenheim mithilfe der städtischen Verteidigungsanlagen durchaus erwehren konnte. Den grundsätzlichen Konflikt zwischen Tillys Defensivstrategie und Pappenheims Offensivambitionen auszuarbeiten, würde hier zweifelsohne den Rahmen sprengen. Doch bleibt festzuhalten, dass erst ein an Tilly übermittelter Befehl des bayrischen Kurfürsten Maximilian I., welcher als Wortführer der Kurfürsten und militärischer Kopf der Katholiken auftrat, diesen strategischen Streitpunkt zu klären vermochte. Von da an war Magdeburg endgültig ins Fadenkreuz der katholischen Kriegsplanungen gerückt.

Johann T’Serclaes von Tilly war als Heerführer der kaiserlichen Armee für die Belagerung Magdeburgs verantwortlich. Die völlige Zerstörung der Stadt sollte seinen Feldzugplänen im deutschen Norden letztlich mehr schaden als nützen. (C) Wikimedia Commons

Der Untergang Magdeburgs und seine Folgen

Seit Ende März 1631 hatte sich die volle Heeresstärke der kaiserlichen Truppen vor Magdeburg entfaltet: 22.600 Fußsoldaten, 3.100 Berittene, sowie 86 Geschütze, also eine Streitmacht, mit der die Verteidiger der Stadt nicht mehr ohne weiteres zurechtkommen konnten, zumal sie durch die misslungene Verteidigung der Schanzen vor der Stadt bereits 500 Männer verloren hatten.18 Wie also sollte mit der Bedrohung umgegangen werden? Die Meinungen darüber waren in der Stadt geteilt:

„Auf der einen Seite stand die evangelische Geistlichkeit der Stadt. Zusammen mit einer kleineren Gruppe der Ratselite und dem überwiegenden Teil der Handel und Handwerk treibenden Bevölkerung vertrat sie eine entschiedene evangelische Parteinahme. Vor allem hielt sie am Bündnis mit den Schweden fest, in der Hoffnung auf schwedischen Entsatz. Doch der größere Teil der patrizischen Ratselite, unter ihnen der Bürgermeister Otto von Guericke, hielt die Stadt weniger in religiöser Hinsicht für gefährdet als in politischer Hinsicht. Bei den Anhängern dieser Position überwog das Interesse, die Unversehrtheit der „Magdeburgischen Jungfrau“ – des zeitgenössischen allegorischen Sinnbilds für die Integrität der Stadt – zu erhalten und sie gegenüber allen Zudringlichkeiten von außen zu retten. Ihnen ging es darum, die kommunale Autonomie und einen Rest von Unabhängigkeit innerhalb des Reiches zu wahren.“19

Unter derlei Umständen schien es für General Tilly nicht völlig abwegig, die Stadt auf friedlichem Wege zur Aufgabe zu bewegen und somit als wichtigen Stützpunkt für katholische Unternehmungen im Norden des Reiches zu gewinnen. Doch die Kapitulationsaufforderung, die am 4. Mai 1631 in Magdeburg eintraf wurde, wie wenige Tage später auch eine weitere, vom Rat der Stadt nur mit einer Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen beantwortet. Es wurde offensichtlich, dass Magdeburg auf Zeit spielte, stets auf die Ankunft der Armee des schwedischen Königs hoffend.20 Die dritte und letzte Forderung nach Magdeburgs Kapitulation erfolgte am 18. Mai 1631, als sich die Angreifer bereits nahe an die Stadtmauer herangearbeitet und die Stadt selbst bereits seit einem vollen Tag unentwegt bombardiert hatten. Für das Senden von Boten zwecks regional übergreifender Friedensgespräche sei es nun zu spät: „Die Stadt möchte vielmehr doch kurze Resolution fassen und sich dem Kaiser unterwerfen. Wo nicht, würde er vor Gott, der Welt und seinem eigenen Gewissen entschuldigt sein, daß nicht er, sondern sie selbst die einzige Ursache allen Unglücks wären.“21 Der Rat beschloss schließlich, mit Tilly etwaige Einzelheiten der Kapitulation auszuhandeln, wobei Falkenberg den Rat anwies, nichts ohne sein Wissen zu unternehmen, sondern am nächsten Tag um vier Uhr früh gemeinsam zu den Verhandlungen zu schreiten. Am 19. Mai verstummten die Kanonen der Belagerer und wurden aus den zerstörten Vororten Magdeburgs zurückgezogen. Daraus schlussfolgerten die Städter, dass Gustav Adolf endlich in Reichweite der Stadt sei und Tilly sich nun gezwungenermaßen zurückzöge.

Doch das war nur ein Täuschungsmanöver, wie sich am nächsten Morgen um sieben Uhr in der Früh erweisen sollte. Tilly hatte nicht vor, die Reaktion der Magdeburger abzuwarten, sondern entschloss sich, zu handeln. General Pappenheim war der erste, der zum Sturm ansetzte: Mit einer Abteilung kroatischer Truppen drang er durch eine Pforte am Fischerufer in die Stadt ein. Am Neustädter Wall wurden die überraschten Verteidiger rasch vom Ansturm der kaiserlichen Truppen hinweggefegt, ihr Vormarsch durch die Straßen bei der hohen Pforte konnte erst durch einen Gegenangriff Falkenbergs zurückgeworfen werden. Der Kampf wogte hin und her, die Verluste der Kaiserlichen waren fürchterlich – doch ihre Überzahl gab schließlich den Ausschlag: Falkenberg konnte nicht an allen Durchbruchstellen gleichzeitig geschlossenen Widerstand organisieren. Als der schwedische Kommandant und einige der wertvollsten Offiziere der Magdeburger Verteidigung im Kampfe fielen, war das Ringen zu Gunsten der katholischen Seite entschieden. Gustav Droysen hat für die Zerstörung der einst so mächtigen Elbmetropole folgende Worte gefunden:

„Und nun sollte sich an Magdeburg dasselbe furchtbare Geschick erfüllen, das Neubrandenburg getroffen hatte; während die entfesselte Soldateska die Straßen durchzog, in die Häuser drang, in rohester Weise plündernd, verwüstend, mordend, als wollte sie sich entschädigen für so viele ruhmlose Tage und Thaten, als wollte sie sich rächen an einem so hartnäckigen Feinde, brach ein Brand aus, der, von einem plötzlich sich erhebenden Winde genährt, fast die ganze stolze Stadt verwüsten sollte.“22

Einzig das Liebfrauen-Kloster und der Magdeburger Dom, in welchen sich laut Schätzung des Magdeburger Bürgermeisters Otto von Guericke etwa 4000 Menschen geflüchtet hatten, blieb von den Flammen verschont.23 Tilly ließ jenes protestantische Gotteshaus gleich der katholischen Kirche restituieren; die Mission des Kaisers, die deutschen Lande vom Protestantismus zu befreien, hatte an diesem Tage einen großen Fortschritt erzielt. Das scheinbar uneinnehmbare Bollwerk der Reformation lag nun rauchend in Trümmern. Auch der Name Magdeburg sollte nach Ansicht des Generals Tilly nicht mehr bestehen bleiben, stattdessen sollte die Stadt künftig nach seiner Schutzpatronin, Marienburg heißen.24 Die nahezu vollständige Zerstörung des alten Magdeburg entfaltete nachhaltig Wirkung: Die Stadt war wirtschaftlich völlig ruiniert, die meisten Einwohner durch die kaiserliche Soldateska getötet oder dem Feuer anheimgefallen. Diejenigen, die noch lebten, sahen sich zumeist gezwungen, die Stadt zu verlassen und woanders neu anzufangen. Die Zahl der Einwohner Magdeburgs sollte bis 1639 auf ihren historischen Tiefstand von 450 Menschen sinken.25

Doch auch für die katholischen Eroberer war, vom militärischen Standpunkt aus, wenig gewonnen. Tilly konnte mit einem rauchenden Trümmerhaufen, wie Magdeburg nun einer war, nichts anfangen, er hätte die Stadt vielmehr als Stütz- und Versorgungspunkt für seine zukünftigen Operationen gegen die Schweden gebraucht. So standen seine Truppen nun weiterhin quasi auf offenem Feld und hatten keine Möglichkeit, in den nun völlig ausgezehrten Landstrichen um Magdeburg herum den Nachschub zu sichern. Die nachfolgenden Manöver, die Tilly gegen Gustav Adolf unternahm, wirkten planlos, situationsgetrieben, ja fast verzweifelt. Sein Eindringen nach Sachsen, wovon er sich Nachschub für seine Truppen versprach, bewegte schließlich den sächsischen Kurfürst Johann Georg I. zu einem Zweckbündnis mit dem Schwedenkönig, das es diesem  erst ermöglichte, im deutschen Norden Fuß zu fassen.26 Magdeburgs Zerstörung markierte den Punkt, von dem an Tillys Stern zu sinken begann.

Die mediale Verarbeitung der Katastrophe

Doch am schwersten sollten die moralischen Folgen wiegen, die dem Untergang der Elbmetropole auf dem Fuße folgten. Es dauerte einige Tage, bis die Nachricht von der Zerstörung Magdeburgs im Umkreis auch als Wahrheit aufgenommen wurde. Dies hatte allerdings weniger kommunikationstechnische Gründe: Die protestantische Seite tat sich offenbar schwer damit, den Fall ihrer so leidenschaftlich als „festen Burg“ gepriesenen Vorzeigewehrstadt zu glauben und zu akzeptieren.27 Die Übermittlung der Nachricht nach Wien dauerte sogar noch zwei Tage länger, bis der Kurier Tillys mit der offiziellen Botschaft von dessen Sieg eintraf. Doch kaum waren beide Seiten vom Ausgang des Kampfes um das Bollwerk der Reformation in Kenntnis gesetzt, begann auch schon die Verarbeitung des Geschehenen für die jeweils eigene Kriegsberichterstattung.

Bezeichnend ist, dass sich hierbei für beide Kriegsparteien aus propagandistischer Sicht Probleme auftaten: Dem Kaiser stand die totale Zerstörung Magdeburgs nicht gut zu Gesicht, er musste befürchten, dass dieses Ereignis die bis dato noch zaudernden protestantischen Fürsten jetzt endgültig dem Schwedenkönig in die Arme treiben würde. Für die protestantische Kriegspartei hingegen wurde der Untergang Magdeburgs als ungeheurer Tiefschlag empfunden. Und besonders stellte es für König Gustav Adolf einen nicht unwesentlichen Makel dar, dass dieser als Bündnispartner der „festen Burg“ der Reformation nicht rechtzeitig zu Hilfe geeilt war.28 Allerdings befand sich die katholische Seite in einer ungünstigeren Position: Sie hatte die nahezu vollständige Einäscherung einer Stadt und die Tötung eines Großteils ihrer Bewohner zu rechtfertigen, nicht nur vor dem Feind, sondern auch vor dem eigenen, gewogenen Publikum.

Die Zerstörung Magdeburgs löste eine wahre Flut von Flugschriften aus, was nicht verwundert, boten sie den Verfassern beider Lager doch die Gelegenheit, Berichte zum aktuellen Kriegsgeschehen zu verbreiten, sowie Darstellungen der eigenen Motive bzw. Rechtfertigungen des eigenen Handelns zu präsentieren. Die für die katholische Seite aussagekräftigste Flugschrift bildet zweifelsohne die von Tilly verfasste „Copia Manifesti“, eine Rechtfertigung seines Verhaltens gegenüber den Magdeburgern. In diesem Manifest, welches sich auf den 18./28.Mai 1631 datieren lässt, erwähnt Tilly seine wiederholten Kapitulationsforderungen, die er an die Stadt gerichtet hatte, und betont, dass er alles getan habe, Magdeburg auf gütlichem Wege zum Nachgeben zu bewegen.29 Gleichzeitig sollte gegenüber dem protestantischen Publikum angeprangert werden, dass König Gustav Adolf seinem Versprechen, die Stadt zu entsetzen, nicht nachgekommen war. Somit sollte ein Keil zwischen die deutschen Protestanten und Schweden getrieben werden. Ein propagandistisches Manöver, welches zwar nicht vollends gelang, den Schwedenkönig aber immerhin in Erklärungsnot brachte: So verfasste dieser ein Entschuldigungsschreiben mit dem Titel: „Genugsame/ Entschuldigungs Vrsachen: / Worumb Königliche / Maystatt in Schweden, auff dißmal der / Stadt Magdeburg nicht hat können zu / hülff kommen, oder derselben / Succurriren. Ins gemein, allen Evangelischen, zu / nachrichtung, an Tag geben, vnd zu behertzi- / gen vor Augen gestellet. / Erstlich gedruckt zu Leipzig, 1631“

Hierin nennt er eine Reihe militärischer und politischer Gründe für das Ausbleiben der Entsatztruppen.30 Die Verantwortung dafür sieht Gustav Adolf in diesem Werk zum Teil bei den Magdeburgern selbst, welche ihm kein Geld für die Werbung von Truppen vorschießen wollten. Aber vor allem die Fürsten von Sachsen und Brandenburg standen im Zentrum seiner Apologetik: Beide hatten sich „[…] also erwiesen, / daß ihr königl. Maystatt nicht eygentlich [habe] wissen können, / ob sie Freund oder Feind […].31 Der erhoffte Zank innerhalb des protestantischen Lagers blieb in der Folge jedoch aus.

In der kurz nach dem Erscheinen der Rechtfertigungen von Tilly und Gustav Adolf einsetzende Propagandaschlacht gerieten tatsächliche Ereignisse und Fakten immer mehr in den Hintergrund.32 Stattdessen drehten sich die Deutungen des Geschehenen um einige wenige inhaltliche Kernpunkte, auf welche sich die Texte der Flugschriften und die Illustrationen der Flugblätter beider Parteien bezogen. Der Untergang Magdeburgs wurde beiderseits mit religiöser Bedeutung aufgeladen und einem sofortig einsetzenden Historisierungsprozess unterzogen. So diente der Hinweis der katholischen Seite auf die Zerstörung Jerusalems, welches als „Strafe Gottes“ einst in Schutt und Asche gelegt worden war, als nachträgliche Rechtfertigung für das brutale Vorgehen der kaiserlichen Truppen.33 Interessanterweise bedienten sich auch die Protestanten dieses Bildes, doch deuteten sie es diametral um: Der Zerstörung Magdeburgs wurde mit dem Versprechen versehen, dass sich die Stadt einst wieder erheben und Zeuge einer religiösen Wiedererrichtung der Reformation werden werde.34 Auf protestantischer Seite war man außerdem in der Lage, historische Vorbilder für die unendliche Opferbereitschaft im Sinne eines höheren Ziels zu finden. So wurde die „Jungfrau Magdeburg“ kurzerhand zur „Lutherischen Lucretia“, die durch ihren Opfergang „ ewiger Gloria“ teilhaftig werden sollte.35 Des Weiteren zog sich die Präsentation Magdeburgs als stolze Magd, welche durch Tilly als Brautwerber zur Heirat angehalten wurde, wie ein roter Faden durch die publizistische Verarbeitung beider Seiten.

Interessanterweise wurde von beiden Konfliktparteien zur Beschreibung des Untergangs der Elbmetropole der Begriff der „Magdeburger Hochzeit“ geprägt, was aus heutiger Sicht wohl eher einem Euphemismus gleichkäme und bereits damals für zwiespältige Assoziationen sorgte. Doch bot diese Bezeichnung einige Vorteile, wenn es darum ging, die Ereignisse dem eigenen Publikum zu präsentieren. Einerseits wurde der katholischen Propaganda durch diese Formulierung erspart, allzu detailreich auf die durch kaiserliche Soldaten verübte Grausamkeiten gegen die Magdeburger einzugehen, andererseits war sie eine willkommene Gelegenheit für die Protestanten, den Opfermythos der Stadt Magdeburg für die Sache der Reformation auszubauen. So wurde nicht etwa versucht, dem Hochzeitsbild einen eigenen Kampfbegriff entgegenzusetzen, sondern stattdessen wurde eben dieses einfach umgedeutet: Tilly, der vergebens um die Gunst der stolzen und reinen Jungfrau Magdeburg wirbt, erzwingt die Heirat schließlich. Eine Metapher, welche angesichts der Jungfrauenallegorie Magdeburgs ohne Zweifel in der zeitgenössischen Vorstellung ein Deflorations- bzw. in diesem Falle sogar ein Vergewaltigungsszenario bedeutete. Die Eroberung Magdeburgs wurde also von den protestantischen Medien als ein Akt der körperlichen Schändung gedeutet und für das Publikum aufbereitet.36

Stich von L. H, (vermutlich 1631): „CAPITVLATIONES. Was gestalt Herrn General Grafen von Tylli den 20. Mai 1631. Die alte Jungfraw zu Magdeburg verheirat worden/ vnd seyndt folgende Heyraths Nottel.“ – Die metaphorische Hochzeit als Motiv für die katholische Propaganda, mit Tilly als Bräutigam und Gustav Adolf als Brautvater. - Vgl. Tobias Hämmerle, Die zeitgenössische Flugblatt-Propaganda zu Gustav Adolf von Schweden (1630 - 1635)“, S. 224

Es blieb jedoch nicht bei einer Aufbereitung der Ereignisse in Form von Flugschriften. Propagandistisch wesentlich wertvoller war das Medium des Flugblattes, denn es war nahezu perfekt geeignet, die breite Masse zu erreichen. Es war reich illustriert, beschränkte den textlichen Inhalt auf das Nötigste und bot somit für den Betrachter maximale informationstechnische Prägnanz. Natürlich hatten auch die Propagandaschmieden beider Kriegsparteien die Macht der Bilder erkannt und verstanden es auch im Falle der Zerstörung Magdeburgs sie für sich zu nutzen, wenngleich die Anzahl der Flugblätter, verglichen mit der Anzahl der verbreiteten Flugschriften, recht begrenzt blieb.37 Letztlich eignet sich das Medium Flugblatt besonders gut, um die gegensätzlichen Positionen der beiden Lager im Bezug auf die Verarbeitung der Magdeburger Hochzeit zu veranschaulichen, da sie jeweils gezwungen waren, ihre Sicht der Dinge im Rahmen einer einzigen Seite zusammenzufassen. Eine allegorische Präsentation eines Sachverhalts war hierbei oft das Mittel der Wahl: Die Hochzeitsthematik eignete sich aus katholischer Sicht besonders für eine bildliche Darstellung. Ausgerechnet Magdeburg als Jungfrau darzustellen, war freilich wenig originell, das Wappen der Stadt liefert schließlich hierfür genug heraldische Anhaltspunkte.38 

Die Szenerie bot sich gut an, um katholische Ansprüche zu formulieren und diese bildlich zu untermalen. So sei in diesem Zusammenhang der Blick auf das katholische Flugblatt „CAPITULATIONES. Was gestalt Herrn General Grafen von Tylli den 20. Mai 1631. Die alte Jungfraw zu Magdeburg verheirat worden/ vnd seyndt folgende Heyraths Nottel.“  gerichtet (s. Abb. 1). Auf der linken Seite ist Tilly als Bräutigam zu erkennen, begleitet von General Pappenheim und Graf Mansfeld.39 Ihm gegenüber stehen König Gustav Adolf (leicht erkennbar an seiner Krone) als Brautvater, sowie die Stadt Magdeburg, welche von den Brautführern (die Allegorien der Reichsstädte Augsburg und Regensburg) zu ihrer Hochzeit geführt wird. Rechts hinter den beiden steht das protestantische Herzogtum Württemberg und schenkt den Wein für die Feier aus. Ergänzt wird dieses Arrangement der Figuren durch einen in sieben Punkte untergliederten Text, der die katholischen Ansprüche bereits in den ersten drei Punkten, sowie in Punkt 6 konkret formuliert:

„1. Soll Ulm das Heyratgut geben. 2. Straßburg die Morgengab darlegen. 3. Wird Nürenberg die Hochzeit halten. […] 6. Schenckt Würtenberg den Wein.“ Die drei protestantischen Städte sowie das Herzogtum Württemberg waren also als zukünftige Ziele des Kaisers eingeplant. Im letzten Punkt wird versucht, das protestantische Lager einzuschüchtern: „7. All ungehorsame Stätt zusamen / Folgen der Braut in Gottes namen. / Da wirdt bei dieser Hochtzeit eben / Gantz schön blutfarbe Kräntzel außgeben.“ Das Schicksal Magdeburgs wird also auch den übrigen protestantischen Städten angedroht, wobei die Erwähnung der „blutfarben Kräntzel“ das tatsächliche Ausmaß der Gewalt nur ganz subtil andeutet.

„Das klägliche Beylager“. Illustriertes Flugblatt - Birgit Emich, „Bilder einer Hochzeit. Die Zerstörung Magdeburgs 1631 zwischen Konstrukti-on, (Inter-)Medialistät und Performanz“, In: Birgit Emich, Gabriela Signori (Hg.), „Kriegs/Bilder in Mittelalter und früher Neuzeit“, (Berlin 2009), S. 209

Was hatten die Protestanten dieser selbstbewussten und letztlich äußerst bedrohlichen Interpretation der Katastrophe entgegenzusetzen? Die Schändung der Stadt in konkreter, bildhafter Form zu präsentieren, hätte dem Zweck ihrer Propaganda wohl mehr geschadet als genutzt. So drehte man, wie bereits bei den Flugschriften erfolgreich geschehen, die Hochzeitsallegorie einfach um. Sehr deutlich wird dies bei Betrachtung des Flugblattes „Das klägliche Beylager“. Die Stadt Magdeburg steht aufrecht vor ihrem „blutdürstigen Gemahl“, wie es im Titel heißt.

Tilly hat die Hochzeitsspeisen angerichtet: Es gibt „[…] das rothe MenschenBlut / und ihr verstorben Fleisch[…].“ Auf protestantischer Seite wird man in der Schilderung der Gräuel von Magdeburgs Untergang also wesentlich deutlicher. Die Allegorie der Stadt spricht zum alten General: „Ich mag noch so fürwar dein liebster Schatz nicht sein, In dem du mit gewalt mir nimmst mein Kräntzelein. […] Du hast dem Leibe nach mich zwar gemacht zu Schanden; Doch ist die Jungfrawschafft der Seelen noch vorhanden.“ Es wird in der protestantischen Deutungsweise also betont, dass die Stadt Magdeburg ihre Ehre und Reinheit trotz der Zerstörung bewahren konnte.40 Hier galt es also den Nimbus des Bollwerks der Reformation zumindest auf ideeller Ebene am Leben zu erhalten.

Bildberichte von der Eroberung der Stadt gab es allerdings auch, wenngleich dies vor allem von protestantischer Seite angeregt wurde und mitnichten als authentische Berichterstattung gewertet werden kann. Ein Beispiel hierfür soll jenes Bild liefern, das für diesen Blogbeitrag als Titelbild fungiert. Die brennende Stadt wird unentwegt von kaiserlicher Artillerie beschossen, gewaltige Explosionen sind abgebildet, welche menschliche Körper durch die Luft schleudern. Dies war zweifelsohne keine akkurate Darstellung des damaligen Kampfgeschehens, sondern ein Versuch, dem Betrachter das Ausmaß des Grauens begreiflich zu machen.41

„Abbildung / Was Gestalt Herr Graff von Tilly R. Kais. Mays. General, bey den Magdeburger / gehalten frey Schiessen den 20. May 1631 das böste gewohnen.“, Illustriertes Flugblatt, 1631; Signatur: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00100173-7

Die katholische Propaganda umschiffte das Zeigen konkreter Gewaltdarstellungen, sie bevorzugte die Hochzeitsallegorie, sowie satirische Aufbereitungsweisen. Ein Beispiel hierfür wäre das Flugblatt mit dem Titel: „Abbildung / Was Gestalt Herr Graff von Tilly R. Kais. Mays. General, bey den Magdeburger / gehalten frey Schiessen den 20. May 1631 das böste gewohnen.“ Im Vordergrund sind zwei Kanonen zu sehen, welche auf Tillys Befehl auf das Stadtwappen Magdeburgs feuern, im Hintergrund ist die brennende Stadt angedeutet. Das Gedicht, welches unter der Abbildung zu lesen ist, weist zum Schluss auch auf den bereits erwähnten Plan zur Umbenennung der Stadt hin:

„Da er [Tilly] nun soll das Krenzl empfangen, / sach er wie ybel man vmb war gangen / mit dieser braut, deren man laider / durch Lutters Lehr besudelt die Klaider / derhalben er befalsch mit fleis / wider zuwaschen vnd zuklaiden schneweis / nach alten standt Catolisch Religion / der sie vor disem wahr vnterthon, / vnd ein Ordens Person gleichweist / getaufft, viir Magde: jetzt Marienburg haist, / so lang Gott gnadet hie auf Erden.“

„Magdenburger Laug“ [S.I.] [1631] - Gustav Adolf wäscht dem Papst mit der Lauge der Magdeburger Tränen den Kopf. - „Magdenburger Laug: Nun Zwag ich dir mit dieser Laugen Dein Heyligs Haupt und klare Augen ...“ [S.I.] [1631] Signatur: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00100272-7

Unmittelbar nach der Zerstörung Magdeburgs war dem protestantischen Lager verständlicherweise nicht gerade nach Satire zumute, auch fehlte hierfür die faktische Grundlage. Diese stellte sich erst nach dem Siege Gustav Adolfs über Tilly bei Breitenfeld ein. Die anschließend einsetzende Flugblätterflut seitens der protestantischen Kriegspartei in voller Bandbreite abzudecken, würde hier den Rahmen sprengen, daher sei stellvertretend das Motiv der „Magdenburger Laug“ an dieser Stelle aufgebracht: Erschienen in zwei Versionen, zeigt es im Wesentlichen König Gustav Adolf als Rächer der Stadt Magdeburg, der mit den Tränen der Magdeburger („Magdeburger Lauge“) den katholischen Feinden den Kopf wäscht.42

Es lässt sich also festhalten, dass die katholische Propaganda mit konkreten Gewaltdarstellungen, schriftlich wie bildlich, äußerst zurückhaltend umging, man setzte primär auf die allegorische Darstellung der erfolgreichen Brautwerbung, was den grausamen Kern der Sachlage zu verschleiern vermochte. Die Protestanten hingegen geizten nicht mit Verweisen auf die Schändung ihrer einst so stolzen Wehrstadt und vermochten es nicht nur, von Gustav Adolfs Versagen abzulenken, sondern konnten durch massive proschwedische Propaganda die Stimmung im Norden des Reiches zugunsten des Schwedenkönigs beeinflussen. Somit wirkte sich der Untergang Magdeburgs eher für die katholische Seite nachteilig aus.43 

„Wahre und eyentliche Continuation aus vunter- / schiedlichen Orten von der jämmerlichen vund erbärm- / lichen zerstörng vnd Ruin der mechtigen Stadt / Magdeburg. / Reichs-Zeitungen, N. 24. / Anno 1631 /“ (o. O.), In: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, Abb.1

Abschließend soll nun die dritte Säule der damaligen Berichterstattung Beachtung finden: Die Zeitung. Als wöchentlich konsumiertes Medium hatte sie sich bereits seit Beginn des 17. Jahrhunderts in den größeren deutschen Städten eingebürgert und richtete sich, im Gegensatz zu den Flugblättern, an ein klar begrenztes Publikum. Sich mit politischen Themen zu befassen, war zu dieser Zeit im Wesentlichen eine Angelegenheit der Gebildeten, der „gemeine Mann“ konnte nicht ohne weiteres in den Besitz von Zeitungen gelangen.44 Im Gegensatz zu Flugschrift und Flugblatt, welche ereignisbezogen erschienen und daher oftmals einem klaren propagandistischen Zweck folgten, stellten die Zeitungen im Vergleich einen Hort an Seriosität dar. Dies bedeutet jedoch selbstverständlich nicht, dass es so etwas wie eine „objektive“ Berichterstattung gegeben hätte. Die Zeitungen reihten in erster Linie Berichte aneinander, die klar von den Standpunkten der jeweiligen Partei eingefärbt waren. Dem zeitgenössischen Leser war durchaus bewusst, dass er sich sein eigenes Bild aus verschiedenen, ihm zur Verfügung stehenden Quellen zusammenfügen musste.45 Da Zeitungsberichte in regelmäßigen Abständen erschienen und auf eigene Wertungen meist verzichteten, vermochten sie dem interessierten Leser einen guten Überblick über die jeweilige Konfliktlage zu liefern. Die Zeitungsberichterstattung war von Beginn des Dreißigjährigen Krieges an von einer enormen Professionalität geprägt.46 Obwohl also der Kreis der zu erreichenden Leser traditionell eher eng gezogen war, vermochten es die Geschehnisse um die Belagerung und Zerstörung von Magdeburg, die Zugänglichkeit der Zeitungen erheblich zu erweitern.47 Die Zentren deutscher Berichterstattung, ob neutraler, protestantischer oder katholischer Prägung, verfolgten die Belagerung Magdeburgs bereits sehr frühzeitig und kontinuierlich. Wie bereits erwähnt, war allerdings die Berichterstattung unmittelbar nach der Erstürmung der Stadt von einer enormen Nachrichtenunsicherheit geprägt, die beide Lager betraf. Sie führte sogar so weit, dass in Städten wie Leipzig und Nürnberg noch Tage nach dem blutigen Ende der Belagerung Geldwetten über einen erfolgreichen Widerstand der Magdeburger angenommen wurden.48 Als die Nachricht für beide Lager Gewissheit geworden war, begann neben der bereits ausgeführten Propagandaschlacht auch eine Verarbeitung des Geschehenen durch die Zeitungen. Die katholische Zeitungslandschaft orientierte sich im Wesentlichen an den Berichten der Feldherren, die in gewisser Weise als ihre eigenen Presseoffiziere fungierten.49 Die amtliche Kriegsberichterstattung der katholischen Seite war Präsentationswerkzeug der siegreichen Feldherren für ihre Erfolge, sowie im konkreten Fall für das rechtfertigen des eigenen Vorgehens, auf eine Schilderung der tatsächlichen Geschehnisse kam es also nicht immer an.

Die Formulierungen waren militärisch knapp gehalten, kurze, vielleicht ad hoc wichtig erscheinende Meldungen waren allenfalls für einen kleinen Kreis an Interessenten bestimmt.50 Protestantisch-deutsche Zeitungsberichte zu Magdeburgs Zerstörung hingegen sind, abgesehen von der Leipziger Postzeitung und den sog. „Reichs-Zeitungen“, nicht auffindbar.51 Dies ist recht erstaunlich angesichts der Tatsache, dass der protestantische Teil Deutschlands die weitaus größte Anzahl an Zeitungen aufwies.52 Die Leipziger Postzeitung hatte ihre Berichte zur Erstürmung Magdeburgs zum großen Teil aus anderen Zeitungen entlehnt, was ihrer sehr um Neutralität bemühten Haltung entsprach.53 

Die „Reichs-Zeitungen“ hingegen bieten durchaus eine protestantisch gefärbte Sichtweise auf das Geschehene. In der Ausgabe „Wahre und eyentliche Continuation aus vunter- / schiedlichen Orten von der jämmerlichen vund erbärm- / lichen zerstörng vnd Ruin der mechtigen Stadt / Magdeburg. / Reichs-Zeitungen, N. 24. / Anno 1631“ werden insgesamt sechs Berichte veröffentlicht, wovon sich die ersten beiden eindeutig einer protestantischen Erzählweise zurechnen lassen. Diese überschlagen sich  allerdings in einer Aneinanderreihung von Gräuelerzählungen und fantasievoller Gerüchte, welche von nach Leipzig geflohenen Magdeburgern verbreitet worden sein sollen.  So steht im ersten Bericht vom 5. Juni/ 25.Mai folgendes geschrieben:

„Die trawrige Zeitung wegen eroberung Magdeburg Continuiret, vnd sol die Stadt drey Tage vnd Nacht im brand gesteckt haben. Die Eltern haben ihre eigenen Kinder ins Feuwer geworffen, vnd sich selbst gestürtzet, alles was in Waffen gefunden, ist nieder gemacht, also, daß die meisten Bürgerschafft schon dahin ist, der Obr: Falckenberger ist, als er aus der Kirch kommen, erschossen worden: vnd weiß man nicht durch wen solches geschehen. hernach bald alles vnordentlich in der Stadt hergangen, vnd ein großer mißverstandt sich ereugnet (!), Es sollen 50 Jungfrawen sich in einem Gewelbe beysammen befunden vnnd sich durchs Pulver in die Lufft gesprenget haben, etliche hundert Junge Kinder sollen noch gefunden worden seyn, welche H. Tilly auff den Thum sol gethan haben.“54

Im zweiten Bericht (vom 6. Juni/26.Mai) ist von Verrat an Magdeburg die Rede: 500 Bürger hätten mit dem Feind zusammengearbeitet, Falkenberg sei von seinen eigenen Soldaten erschossen worden. Als Quelle werden die Aussagen geflohener Soldaten aus Magdeburg angeführt, was jedoch eine denkbar unzuverlässige Angabe ist.55 Diese beiden Berichte, welche das Grauen aus protestantischer Sicht zu beschreiben versuchen, stehen exemplarisch für eine deutsch-protestantische Perspektive auf den Untergang Magdeburgs. Eine Berichterstattung, welche inhaltlich zu nicht unbedeutenden Teilen durch mündliche Überlieferungen der überlebenden Stadtbewohner gespeist wurde.

Der Untergang Magdeburgs in Selbstzeugnissen

Teils haben Überlebende des Untergangs von Magdeburg ihre Erlebnisse anschließend zu Papier gebracht. Wenn man diese Selbstzeugnisse sich zur Betrachtung vornimmt ist allerdings zu beachten, dass derartige Dokumente, welche persönlichen Eindrücke enthalten, grundsätzlich mit Vorsicht zu behandeln sind: Man sollte nicht der Versuchung erliegen, sie per se als Anhaltspunkte dafür zu verwenden, „wie es wirklich war“, vielmehr bieten sie eine ergänzende Perspektive zur amtlichen Berichterstattung. Hierbei unterscheiden sich die Schwerpunkte der Schilderungen beider Seiten erheblich. Als vielzitierter „Kronzeuge“ des Untergangs von Magdeburg gilt zweifelsohne der damalige Bürgermeister der Stadt, Otto von Guericke. Seine Erzählungen besitzen einen allgemein erzählenden Charakter:

„Als nun gedachter maßen durch den General Pappenheim eine ziemliche Anzahl Volkes auf den Wall bei der Neustadt und da herum in die Gassen der Stadt gebracht, auch der von Falckenberg erschossen und das Feuer an allen Enden eingelegt worden, da ist es mit der Stadt geschehen und alle Resistenz zu spät und vergebens gewesen. […]Da ist es geschehen, daß die Stadt mit allen ihren Einwohnern in die Hände und Gewaltsamkeit ihrer Feinde gerathen — […] Da ist nichts als Morden, Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln gewesen. […] Unter welcher währenden Wütherei dann, und da diese so herrliche, große Stadt, die gleichsam eine Fürstinn im ganzen Lande war, in voller brennender Gluth und solchem großen Jammer und unaussprechlicher Noth und Herzeleid gestanden, sind mit gräulichem ängstlichen Mord- und Zetergeschrei viel tausend unschuldige Menschen, Weiber und Kinder kläglich ermordet und auf vielerhand Weise erbärmlich hingerichtet worden, also daß es mit Worten nicht genugsam kann beschrieben und mit Thränen beweint werden.“56

In dieser Beschreibung werden einige Sachverhalte angesprochen, welche sich auch in der beiderseitig erfolgten Zeitungsberichterstattung und Flugschrift/blatt-Propaganda finden lassen. Ein dort immer wieder aufscheinender Punkt ist der gegenseitig entgegengebrachte Vorwurf, das Feuer, welches die Stadt vernichtete, gelegt zu haben. Guericke sieht hier die Schuld bei Pappenheim. Dem entgegen stehen die Schilderungen des zum Zeitpunkt der Erstürmung der Stadt im Magdeburger Liebfrauen-Kloster tätigen katholischen Priesters Zacharias Bandhauer. Dieser spricht davon, dass an mehreren Orten in der Stadt eine Explosion von Pulver stattgefunden hätte, die Stadt also durch allgemeine Brandlegung zerstört werden sollte.57 Dafür hätte sich zum Zeitpunkt der Eroberung aber noch reichlich Pulver in der Stadt befinden müssen, was jedoch klar anzuzweifeln ist.58

Stattdessen ist es wiederum als gesicherte Erkenntnis anzusehen, dass General Pappenheim, als der Kampf um die Stadt auf Messers Schneide stand, den Befehl zum Anzünden einiger Häuser gab. Somit sollte unter den Verteidigern Verwirrung gestiftet werden.59 Georg Ackermann, ein am Sturm auf die Stadt beteiligter Offizier, schien nicht in diese Maßnahme eingeweiht gewesen zu sein, auch schien der Ablenkungserfolg eher gering. Sein Bericht über den Brand bei der Hohen Pforte lautet wie folgt: „Wenn es nun am 10. Mai 1631. ein schöner, und stiller Tag war, wurden zwey Häuser, wiewohl wider unsern Willen, bey der Hohen Pforten, angezündet, die brannten nun über eine gute Stunde helle wie ein Licht, es wollte sich aber kein einziger Bürger von den Waffen zum löschen begeben, sondern fochten an allen Enden der Stadt unaufhörlich und desperat, mit samt der Reuteren, worüber wir unsere Kräffte verloren.“60

Der Widerstand der Magdeburger blieb also weiterhin aufrecht, wie der evangelische Söldner Peter Hagendorf, der unter Pappenheim zum Angriff antrat, zu spüren bekommen sollte:

„[…] den 20 Meige (Mai) dessen 1631, haben wir uns mit ernst angesedtzet vndt gesturmet vndt auch erobert, da bin Ich mit sturmer handt ohn allen schaden, In die stadt kommen, Aber in die stadt am neistadter tohr bin Ich 2 Mal durch den leieb geschossen worden das Ist meine beute gewesen. […] Ist mir doch von herdtzen leit gewesen das die stadt so schreglich gebrunnen hat wehgen der schönen stadt, vndt das es meines vaterlandes Ist,[…]“61

Sicher wäre der Brand auf einen kleinen Teil der Stadt beschränkt geblieben, wenn die Flammen nicht durch einen heftigen Wind nach allen Seiten weitergetragen worden wären. Dass General Tilly selbst ca. 500 Männer zum Löschen abkommandiert und selbst mit Hand angelegt habe, diente auf katholischer Seite anschließend als willkommenes Narrativ, um sich von Schuld reinzuwaschen. Doch bevor das Feuer alles verzehren konnte, brach noch der Zorn der entfesselten kaiserlichen Soldateska über Magdeburg herein. Es ist nicht überraschend, dass dieser Umstand von protestantischer Seite im Sinne der Festigung eines bestialischen Feindbildes ausgeschlachtet wurde. Es entsprach in weiten Teilen jedoch dem damaligen Kriegsrecht, Plünderungen durchzuführen, sowie gegen die Bewohner, die sich im Falle der Weigerung einer friedlichen Übergabe der Stadt zu Feinden erklärt hatten, gewaltsam vorzugehen. Eine Ausnahme stellten hierbei allerdings Frauen, Kinder und Geistliche dar.62 Dass dennoch brutal auch gegen die Frauen und Kinder Magdeburgs vorgegangen wurde, wurde aus katholischer Sicht damit gerechtfertigt, dass diese sich mit Steinwürfen und dem Zufügen von Verbrühungen durch heißes Wasser an den Kampfhandlungen beteiligt hätten.63 Dass auch Geistliche von der Gewalt durch die Soldateska bedroht waren und mitnichten geschont wurden, schilderte der Magdeburger Pfarrer Christophorus Thodaenus, der nur dank des Einsatzes seiner Frau überlebte:

„Bald darauff kamen etliche, darunter einer, der sahe aus als der leidige teuffel, […] mit grimmigem Angesichte mich ansehend und sagend: Pfaff gibt Geld […]. Als ich mich aber entschuldigte, ich hette nichts mehr bey mir […] Aber wollte damit nicht zufrieden sein, sondern er passete mit einer Mußqueten auff mich, […] unterdessen ermannete sich meine Fraw, schlägt ihm die Mußqueten in die Höhe, daß mir die Kugel ueber den Kopff flug in die Wand hinein, unnd sie hielt ihn bey den Armen daß er sich nicht regen kundt.“64

Erst, nachdem der Soldat etwas Silberwerk erhalten hatte, ließ er von den beiden ab. Der Mechanismus der Gewalteindämmung durch die Zahlung von Geld oder materiellen Werten funktionierte also auch grundsätzlich im Kontext der Magdeburger Eroberung. Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass es durchaus auch anständige Soldaten gab, die das Kriegsrecht ernst nahmen und auch ihre Kameraden zügelten:

„Vnter der ersten Rotte war einer der hatte in der Hand eine große spißige Keulhawen damit wolte er mir auff den Kopff spielen. Sein Camarat aber werethe ihm und sprach: Was wilt du machen Du siehest ja daß es ein Prediger ist? Da ließ ers bleiben vnd gieng davon.“65

Dass sich der Furor der katholischen Soldateska teils so ungehemmt entlud, dürfte letztlich vor allem daran gelegen haben, dass das Feuer schneller den Plünderungswert der Stadt vernichtete, als die kaiserlichen Truppen ihn auszunutzen vermochten.

Schlussbetrachtungen

Die Gräuel, die vor allem in der protestantischen Propaganda den kaiserlichen Truppen unter Tilly angelastet wurden, sind nur schwer im Einzelnen nachprüfbar. Es ist bezeichnend, dass sich Berichte von Augenzeugen wie von Guericke oder auch Thodaenus hier auf allgemein gehaltene Aussagen beschränken. Dass das Ausmaß des Leids angesichts von 20.000 Toten groß gewesen sein muss, ist jedoch wohl naheliegend. Die Gerüchte, die sich unmittelbar nach dem Untergang Magdeburgs in unmittelbarer Nähe ausbreiteten, sorgten allfällig für Entsetzen und regten bereits früh zu einer Einordnung des Geschehenen an. So findet sich in den Tagebuchaufzeichnungen des Fürsten Christian dem Jüngeren von Anhalt-Bernburg bereits der später immer wieder von beiden Parteien bemühte Vergleich des Schicksals von Magdeburg mit dem Jerusalems.66 Der Fürst hielt sich in seiner Residenz in der Nähe von Magdeburg auf und erfuhr vom Hergang der Zerstörung der Stadt am nächsten Tag aus Zeitungsberichten, welche inhaltlich von den Erzählungen von unmittelbaren Beobachtern geprägt waren. Dies beweist, welch erheblichen Einfluss diese Art der Berichterstattung auf das Meinungsbild der Menschen entwickeln konnte. Zahllose Erzählungen und Gerüchte fanden somit bereits ihren Weg in die Druckereien und Schreibstuben, lange bevor die Art von Selbstzeugnissen entstanden, auf die die Geschichtswissenschaft heute Zugriff hat.

Doch inwieweit deckt sich nun das, was manche Zeugen der Katastrophe teils sofort, teils erst Jahre später niedergeschrieben haben, mit der Sicht auf die Dinge, wie sie der Öffentlichkeit in der zeitgenössischen Publizistik vermittelt wurde? Die Antwort darauf ist vielschichtig: Gerade die unmittelbar nach der Eroberung Magdeburgs einsetzende Nachrichtenunsicherheit hatte der Bildung monströser Erzählungen Tür und Tor geöffnet. Die amtliche Berichterstattung im katholischen Lager versuchte, diesem Trend schließlich durch die Veröffentlichung von rechtfertigenden Stellungnahmen Tillys entgegen zu wirken. Damit begab sich die kaiserliche Partei bei der Deutung des Ereignisses aber automatisch in die Defensive. Die Erklärungsansätze für das Vorgehen der Soldaten Tillys wirkten, im Kontrast zur protestantischen Darstellungsweise, hilflos und konstruiert. An der Propagandafront sah es zunächst für die Katholiken besser aus. Man vermochte mit der Hochzeitsallegorie das Grauen, das die Eroberung Magdeburgs mit sich brachte, für das eigene Publikum zu überspielen und gleichzeitig gegenüber der protestantischen Gegenseite eine Drohkulisse aufzubauen. Schließlich wurde mit dem Begriff des „magdeburgisierens“ sogar eine Vokabel geschaffen, die dazu eingesetzt werden konnte, gewaltigen Druck auf einzelne Städte auszuüben.67 Die katholische Aufbereitung des Geschehens drückte sich oftmals um die Details der „Magdeburger Hochzeit“ herum, einfach, weil sich aus einer Schilderung von Erlebnisberichten kein vorteilhaftes Bild für die eigene Sache erzeugen ließ.

Die protestantische Seite wiederum tat das genaue Gegenteil: „Authentische“ Berichte über das Grauen, die Schilderungen von Details wurden offensiv der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sobald die Nachricht vom Untergang Magdeburgs Gewissheit war. In diesem Sinne stellte sich auch die protestantische Zeitungsberichterstattung in Teilen (zumindest ist dies im Falle der Reichs-Zeitungen erkennbar) aktiv in den Dienst der Propagandaarbeit. Im Falle der Flugschriften und Flugblätter reagierte man in erster Linie auf Narrative, die von katholischer Seite vorgegeben wurden (Eroberung Magdeburgs als „Strafe Gottes“, Hochzeitsallegorie). Erst im Zuge des einsetzenden militärischen Erfolgs der Schweden konnte die katholische Dominanz im Bereich der Propaganda relativiert und letztlich sogar gebrochen werden. Insgesamt dürften auf protestantischer Seite Kriegs- und Gewalterfahrungen, inwieweit sie auch im Einzelnen zutreffend wiedergegeben worden sein mögen, eine deutlich größere Rolle gespielt haben. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass eben diese Erfahrungswerte in weiten Teilen Informations- und Deutungsgrundlage für die zeitgenössische Publizistik waren, diese jedoch mit unterschiedlicher Intensität in die Berichterstattung eingearbeitet wurden.

Titelbild: Daniel Mannasser, Augsburg 1631: „Ware Contrafactur der Statt Magdenburg“;    Signatur: urn:nbn:de:bvb:19-epub-14221-2

1 Anm.: Es handelte sich dabei um eine Protestaktion der Böhmen gegen die immer restriktiver werdende Konfessionspolitik des habsburgischen Kaisers Matthias. Hierbei beriefen sie sich auf den Majestätsbrief aus dem Jahre 1609, in dem ihnen von Kaiser Rudolf II., dem Vorgänger des Kaisers Matthias, Religionsfreiheit eingeräumt worden war. Vgl.: Einleitung – Robert Rebitsch, Lothar Höbelt, Erwin A. Schmidl (Hg.), „Vor 400 Jahren: Der Dreißigjährige Krieg“, (Innsbruck 2019), S.7

2 Anm.: Genaue Zahlen lassen sich rückblickend schwer ermitteln. Die Angaben von Günther Franz, welche bis heute als Grundlage für etwaige Schätzungen der Bevölkerungsverluste in Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges herangezogen werden, zeigen regional sehr unterschiedliche Verlustzahlen auf, wobei die Verluste im Nordwesten Deutschlands zwischen 0 (Holstein, Hamburg, Lübeck und Bremen) und 30% betragen, wohingegen der Süden und Nordosten Deutschlands mit 30 bis über 50% Verlusten am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vgl.: Abb. 2 Günther Franz, „Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk: Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Agrargeschichte“, (Berlin 1979), S. 8. Die 40 Prozent, welche Georg Schmidt hier erwähnt, sind also als Durchschnittsangabe zu verstehen. Bei einer gesamtdeutschen Bevölkerungszahl zwischen 15 und 16 Millionen betrugen die Verluste also ca. 6 Millionen Menschen. Vgl. Georg Schmidt, „Die Reiter der Apokalypse. War der Dreißigjährige Krieg Gottes Wille?“ In: Robert Rebitsch, Lothar Höbelt, Erwin A. Schmidl (Hg.), „Vor 400 Jahren: Der Dreißigjährige Krieg“, S.24

3 Anm.: Herfried Münkler unterscheidet hierbei zwischen vier Versorgungstypen, welche in aufsteigendem Maße Ressourcenverlust, Tod und Zerstörung für die Landbevölkerung bedeuteten: 1. Das System der „Kontributionen“ (erzwungene Einquartierung und Versorgung feindlicher Soldaten), 2. Das Heer in Marsch als mobiler Ressourcenvernichter, 3. Die Söldnerverbände, deren Loyalität an keine bestimmte Kriegspartei gebunden war, und 4. Die Marodeurshaufen, welche  als große Räuberbanden zu charakterisieren sind. Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg : europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648“, (Berlin 2017), S. 32ff.

4 Vgl.: Hans Medick, „Der Dreißigjährige Krieg : Zeugnisse vom Leben mit Gewalt“, (Göttingen 2018), S.12f.

5 Anm.: Die unterschiedliche Datumsangabe erklärt sich aus der Differenz zwischen dem gregorianischen  und dem julianischen Kalender. Für die Protestanten erfolgte der Untergang Magdeburgs am 10. Mai (julianisch), für die Katholiken hingegen am 20.Mai. (gregorianisch)

6 Vgl.: Hans Medick, „Der Dreißigjährige Krieg : Zeugnisse vom Leben mit Gewalt“, S.198

7 Anm.: Bernd Rill geht sogar von 25.000 Toten aus. Vgl.: Bernd Rill, „Tilly. Feldherr für Kaiser und Reich“, (München 1989), S.252

8 Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg“, S. 475

9 Vgl.: Axel Gotthard, „Der Dreißigjährige Krieg : eine Einführung“, (Köln/Weimar/Wien 2016), S.217

10 Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, (Leipzig 1870), S.225

11 Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg“, S. 465

12 Anm.: Zu Beginn hatte Pappenheim die Stadt alleine mit 4000 Mann belagert, erst auf Befehl des bayrischen Kurfürsten unterstützte Tilly ab März 1631 die Belagerungsbemühungen mit seiner Hauptstreitkraft. Vgl.: Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S.280

13 Vgl.: Hans Medick, „Der Dreißigjährige Krieg : Zeugnisse vom Leben mit Gewalt“, S.209

14 Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg“, S. 468

15 Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S.280

16 Anm.: Diese Aussage General Tillys spielte auf Pappenheims 1626 erfolgten Feldzug zur Niederwerfung der oberösterreichischen Bauern an. Bernd Rill, „Tilly“, S.225

17 Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg“, S. 470

18 Anm.: Hinzu kommen 4850 Soldaten, die schwedische Truppen an der Dessauer Brücke an einer Überquerung der Elbe hindern sollten. Vgl.: Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg“, S. 470

19 Hans Medick, „Der Dreißigjährige Krieg : Zeugnisse vom Leben mit Gewalt“, S.210

20 Anm.: Der schwedische Kommandant der Verteidiger Magdeburgs, Dietrich von Falkenberg, hatte dem städtischen Rat versichert, dass Gustav Adolf mit seiner Streitmacht in wenigen Tagen eintreffen werde. Tatsächlich hatte er vom Schwedenkönig Informationen erhalten, die von einer deutlichen Verzögerung des schwedischen Anmarsches kündeten. Vgl.: Herfried Münkler, „Der Dreißigjährige Krieg“, S. 471f.

21 Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S.330

22 Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S.335

23 Anm.: Vgl.: Otto von Guericke, Geschichte der Belagerung, Eroberung und Zerstörung Magdeburg’s“, (Magdeburg 1860), S.87

24 Vgl.: Axel Gotthard, „Der Dreißigjährige Krieg“, S.220

25 Vgl.: Matthias Puhle, „Magdeburg: Die Geschichte der Stadt 805-2005“, (Stekovics, 2005), S.480

26 Vgl.: Johannes Burckhardt, „Der Krieg der Kriege: Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“, (Stuttgart 2018), S.152

27 Anm.: Dies war wohl einer religiösen Abwehrhaltung gegen unglaubliche, schlechte Zeitungen zurückzuführen. Vgl.: Hans Medick, „Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung: Die Eroberung und Zerstörung Magdeburgs 1631“, In: Benigna von Krustenstjern und Hans Medick (Hg.), „Zwischen Alltag und Katastrophe: Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe“, (Göttingen 2001), S.381

28 Vgl. Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S. 339

29 Anm.: Beide vorhandenen Ausgaben von Tillys Manifest haben hier den Druckfehler 1630, Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, (Magdeburg 1931), S.60

30 Anm.: Es gibt von diesem Schreiben laut Werner Lahne noch drei anders betitelte Versionen, welche sich aber ebenfalls alle auf die Wiedergabe der amtlichen schwedischen Kundgebung beschränken. Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.57

31 König Gustav Adolf II, „Genugsame/ Entschuldigungs Vrsachen: / Worumb Königliche / Maystatt in Schweden, auff dißmal der / Stadt Magdeburg nicht hat können zu / hülff kommen, oder derselben / Succurriren. Ins gemein, allen Evangelischen, zu / nachrichtung, an Tag geben, vnd zu behertzi- / gen vor Augen gestellet.“ , (Leipzig, 1631),  S.9

32 Anm.: Dennoch wurden offiziöse Flugschriften beider Seiten oft schon im Titel als „Berichte“ bezeichnet, obwohl es gerade von protestantischer Seite nicht darauf ankam, eine objektive Schilderung der Ereignisse abzuliefern. Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.92ff.

33 Vgl.: Hans Medick, „Der Dreißigjährige Krieg : Zeugnisse vom Leben mit Gewalt“, S.217

34 Vgl.: Martin C. Wald, „Die Gesichter der Streitenden“, S.111

35 Anm.: Die Figur Lucretia, angesiedelt in der halbmythischen Frühzeit Roms,  steht sinnbildlich für die Tugendhaftigkeit, da sie sich nach der Vergewaltigung durch den römischen König Tarquinius Superbus das Leben nimmt. In diesem Fall wird der Allegorie Magdeburgs in dem Gedicht „Saguntina Prosopopei weiland der löblichen Anse(h) nun Anzwee Stadt Magdeburg“ diese Rolle zugeschrieben. Vgl.:  Hans Medick, „Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung“, S.390f.

36 Vgl.: Martin C. Wald, „Die Gesichter der Streitenden : Erzählung, Drama und Diskurs des Dreißigjährigen Krieges, 1830 bis 1933“, (Göttingen 2008), S.: 110f.

37 Anm.: Dies dürfte vor allem an der verhältnismäßig starken Zurückhaltung der protestantischen Propaganda gelegen haben. Erst nach dem Sieg Gustav Adolfs über Tilly bei Breitenfeld am 7./17. September 1631 erfolgte die Veröffentlichung einer Flut satirischer Flugblätter seitens der Protestanten. Vgl.: Silvia S. Tschopp, „Heilsgeschichtliche Deutungsmuster in der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges : pro- und antischwedische Propaganda in Deutschland 1628 bis 1635“, (Frankfurt am Main 1991), S.40

38 Anm.: Das Wappen Magdeburgs stellt eine aufrecht stehende, von zwei Türmen flankierte Frauenfigur dar, welche einen Kranz in ihrer erhobenen rechten Hand hält. Vgl.: Silvia Serena Tschopp, „Rhetorik  des Bildes.“, S.86

39 Anm.: Letztgenannter hatte im Vorfeld die Eroberung der Verteidigungsanlagen vor der Stadt übernommen. Beim entscheidenden Ansturm gegen Magdeburg, wo sich Pappenheim so tatkräftig hervorgetan hatte, soll er jedoch zaudernd vorgegangen sein. Vgl.: Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S. 335

40 Anm.: Doch blieb „Das klägliche Beilager“ der vorerst einzige Versuch der Protestanten, die Hochzeitsallegorie mit grafischen Mitteln umzudeuten. Vgl.: Birgit Emich, „Bilder einer Hochzeit. Die Zerstörung Magdeburgs 1631 zwischen Konstruktion, (Inter-)Medialität und Performanz“, In: Birgit Emich, Gabriela Signori (Hg.), „Kriegs/Bilder in Mittelalter und früher Neuzeit“, (Berlin 2009), S. 208 ff.

41 Vgl.: Birgit Emich, „Bilder einer Hochzeit“, S. 204 f.

42 Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.198

43 Vgl.: Silvia S. Tschopp, „Heilsgeschichtliche Deutungsmuster in der Publizistik des Dreißigjährigen Krieges“, S.37

44 Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.5

45 Vgl.: Holger Böning, „Dreißigjähriger Krieg und Öffentlichkeit: Zeitungsberichte als Rohfassung der Geschichtsschreibung“, (Bremen 2019), S.432f.

46 Anm.: Dies lag vor allem daran, dass die Zeitungsmacher durch den seit Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgten Vertrieb von handschriftlichen Wochenzeitungen auf jahrzehntelang eingeholte Erfahrungswerte zurückgreifen konnten. Vgl.: Holger Böning, „Dreißigjähriger Krieg und Öffentlichkeit“, S.131

47 Anm.: Dies geschah sowohl aus objektiven, wie auch subjektiven Interessensfeldern, z.B. bezgl. Der Finanzinteressen hansischer Kaufleute, die Geld in Magdeburg investiert hatten. Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.5

48 Vgl.: Hans Medick, „Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung“, S.382

49 Vgl.: Hans Medick, „Der Dreißigjährige Krieg“, S.213

50 Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.9

51 Anm.: Lahne sind jene „Reichs-Zeitungen“ wohl durch das Entgegenkommen der Danziger Stadtbibliothek in die Hände gefallen. Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.17

52 Vgl. Julius Otto Opel, „Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse. 1609-1650“, (Leipzig 1879), S.262

53 Vgl.: Julius Otto Opel, „Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse. 1609-1650“, (Leipzig 1879), S.186

54 Bericht aus Leiptzig vom 5. Junij, 25. Mai: „Wahre und eyentliche Continuation aus vunter- / schiedlichen Orten von der jämmerlichen vund erbärm- / lichen zerstörng vnd Ruin der mechtigen Stadt / Magdeburg. / Reichs-Zeitungen, N. 24. / Anno 1631 /“ (o. O.), In: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.18 f.

55 Vgl.: Werner Lahne, „Magdeburgs Zerstörung in der zeitgenössischen Publizistik“, S.19

56 Otto von Guericke, Geschichte der Belagerung, Eroberung und Zerstörung Magdeburg’s“, S.83 f.

57 Vgl.: Zacharias Bandhauer, Onno Klopp, „Die Katastrophe von Magdeburg 1631: Auszug aus dem Tagebuch von Zacharias Bandhauer mit einer kritisch-historischen Uebersicht von Onno Klopp“, (Freiburg im Breisgau 1874), S.28

58 Anm.: Am 9./19. Mai 1631 hatte Dr. Denhardt, Magdeburgisches Ratsmitglied, zu bedenken gegeben: „Was wolle die Stadt denn machen, wenn sie kein Pulver mehr habe, und sonst dem Feind nicht widerstehen könne, so daß man ihn bis auf den Wall kommen lassen müsse?“ Sein Einwand bewegte den Rat dazu, Kapitulationsverhandlungen mit Tilly aufzunehmen, was bei einem Überfluss an Pulvervorräten sicher nicht ohne Weiteres geschehen wäre. Vgl.: Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S.330 f.

59 Vgl.: Gustav Droysen, „Gustav Adolf“, S.334

60 Sethus Heinrich Calvisius, „Das zerstöhrete und wieder aufgerichtete Magdeburg, Oder: Die blutige Belagerung und jäm[m]erliche Eroberung und Zerstöhrung der alten Stadt Magdeburg“, (Magdeburg 1727), S.106f.

61 Peter Hagendorf, Jan Peters (Hg.), „Peter Hagendorf – Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg“, (Göttingen 2012), S.41 (S.25 f. im Originaltext)

62 Vgl.: Michael Kaiser, „Excidium Magdeburgense: Beobachtungen zur Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt im Dreißigjährigen Krieg“, In: Markus Meumann, Dirk Niefanger, „Ein Schauplatz herber Angst: Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt im 17. Jahrhundert“, (Göttingen 1997), S.53f.

63 Anm.: So wurde es in der ersten in Wien veröffentlichten Nachricht verlautbart, eine Behauptung also, die getrost als haltlose Propaganda eingeordnet werden kann. Vgl.: Hans Jessen, „Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten“, (Stuttgart 2012), S.264

64 Christophorus Thodaenus , „Threni Magdaeburgici. Sindt Drey Klag- und trawer- Predigten ueber die […] Eroberung und Einäscherung der […] Stadt Magdeburg.“ (Hamburg 1632), Dritte und letzte Magdeburgische Klag- und Trawerpredigt (o.S.)

65 Christophorus Thodaenus , „Threni Magdaeburgici“, Dritte und letzte Magdeburgische Klag- und Trawerpredigt (o.S.)

66 Vgl.: Max Dittmar, „Aus dem Tagebuche des Fürsten Christian“, In: Max Dittmar (Hg.), „Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstifts Magdeburg“, (Magdeburg 29.Jahrgang 1894) S.103

67 Anm.: Dies galt z.B. für die Stadt Hamburg, deren Rat auf die Drohung hin, die Stadt würde im Widerstandsfall dasselbe Schicksal wie Magdeburg erleiden, eine abwartende Haltung einnahm. Vgl.: Hans Medick, „Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung“, S.397

Ferdinand Elsner

Ferdinand Elsner, BA
Ich bin als Verwaltungspraktikant in der Forschungsabteilung des HGM eingesetzt und absolviere aktuell das Masterstudium der Geschichte. Des Weiteren bin ich im Begriff, meine Abschlussarbeit fertigzustellen, welche sich thematisch um das Wirken der Résistance im direkt besetzten Nordteil Frankreichs dreht. Über das Themenfeld des 2. Weltkrieges hinaus zählt vor allem die Untersuchung strategischer Konzepte des Ersten Weltkriegs zu meinen Forschungsschwerpunkten, sowie die Minderheitenpolitik der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns in der Zwischenkriegszeit.

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