HGM Wissensblog

Objekt des Monats Februar 2023

Verbandtasche für Hufbeschlagpersonal

Das Pferd als Zug- und Reittier war beim Militär bis zum Ende des zweiten Weltkriegs von enormer Bedeutung. Folglich war auch deren Ergänzung und Pflege eine bedeutende Aufgabe. Im neuerrichteten Bundesheer der zweiten Republik finden Reitpferde nur noch im Zuge der sportlichen Ausbildung an der Militärakademie sowie als Tragtiere im Hochgebirge Verwendung.

Der militärtierärztliche Dienst wurde früher von Tierärzten und Kurschmieden wahrgenommen. Tierärzte hatten das Diplom einer tierärztlichen Hochschule oder Universität, waren im Rang eines Offiziers und kümmerten sich um den allgemeinen Gesundheitszustand eines Pferdes. Kurschmiede hatten den Rang eines Unteroffiziers und führten hauptsächlich den Hufbeschlag durch.[1]

In jeder Armee werden Ausrüstungsteile und Gegenstände des täglichen Bedarfs, aus dem Bereich der Technik und insbesondere des Sanitätswesens von zivilen Firmen angekauft und im Dienstbetrieb verwendet. Selten sind diese eigentlich für den zivilen Bedarf produzierten Objekte auch mit einem militärischen Abnahmestempel versehen. Eine militärhistorische exakte Zuordnung ist folglich schwer möglich.

Ein derartiges Objekt ist die vorliegende „Verbandtasche für Hufbeschlagpersonal“ der Berliner Firma Hauptner. Aufgrund der technischen Ausführung und auch des Inhalts kann man sie etwa auf die Jahre 1935 bis 1944 eingrenzen.

Die Tasche ist aus hellbraunem Leder, in einer rechteckigen Kastenform, an der Oberseite mit einem Tragegriff und an der Rückseite ein abnehmbarer Trageriemen zum Umhängen. Am Deckel ist außen der Name der Erzeugerfirma „HAUPTNER“ im Blindprägedruck eingepresst.

Hans Hauptner hat im Jahre 1857 die gleichnamige heute noch existierende Firma in Berlin gegründet. Das Unternehmen beschäftigte sich von Anfang an mit der Konstruktion und Anfertigung von medizinisch technischen Geräten, vornehmlich der Veterinärmedizin.[2]

Die vorliegende Tasche lässt sich vorne aufklappen und hat einen vielfältigen Inhalt. Der Deckel und die Seitenklappen sind mit Lederstrupfen versehen, die über Metallwarzen zu schließen sind. An der Innenseite der Klappe ist ein Inhaltsverzeichnis zur „Verbandtasche für Hufbeschlagpersonal“ aufgeklebt:

Oberes Abteil:

4 Mullbinden, je 5000 lg., 80 br.; 1 Flasche „Zum beliebigen Gebrauch“; 1 Blechkasten mit Salbe; 1 Blechkasten mit Chloramin; 1 Instrumententasche aus Leder, enthaltend: 2 Thermometer Max., in Blechhülse; 1 Hakenpinzette 1:2 Zähne, 145 lg.; 1 Kornzange 160 lg.; 1 gebogene Schere, 160 lg.;

Unteres Abteil:

1 Instrumentenschale aus Metall 150 lg., 115 br., 30 h.; 5 Rollen Verbandwatte zu je 50 g; 6 Flavabinden in 2 Preßstücken zu je 3 Binden; 1 Stärkegazebinde, 5000 lg., 60 br.; 1 Stärkegazebinde, 5000 lg., 80 br.;

Auf dem Klappdeckel befestigt:

1 Höllensteinhalter aus Holz mit Stift; 1 Pack mit 20 Tierkrankenzetteln; 1 Doppelspatel aus Horn, 160 lg.

Sämtliche Abmessungen sind in mm angegeben.

  1. HAUPTNER, Berlin-Solingen“.

Die in dieser Beschreibung angeführte Instrumententasche mit Inhalt fehlt.

Von besonderem Interesse erscheint das beiliegende Heft mit „Tierkrankenzetteln“. Wie auch bei erkrankten und verwundeten Soldaten wurden nicht dienstfähige Pferde mit einem Krankenzettel versehen. Diesem waren der gesundheitliche Zustand und die Transportfähigkeit zu entnehmen.

Wie in anderen Bereichen auch, wurden im Veterinärdienst des Bundesheeres verschiedene Ausrüstungsgegenstände aus unterschiedlichen Militärbeständen weiterverwendet. Auch diese „Verbandtasche für Hufbeschlagpersonal“ ist ein antiquiert wirkendes Relikt der Vergangenheit.

Sie wurde im Jahre 2022 vom ABC-Abwehrzentrum des Bundesheeres an das Museum übergeben.

[1] Das k.u.k. Heer 1895. Eine Bildserie von Oskar Brüch, kommentiert von Günter Dirrheimer. Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien (Militärwissenschaftliches Institut) Band 10. Graz, 1997. Seite 63.

[2] https://www.hauptner-herberholz.de/Historie.aspx [03.01.2023]

Peter Steiner

OR ObstdhmfD Prof Mag. Peter Steiner
Historiker und Milizoffizier, zuständig für Orden, Ehrenzeichen, Abzeichen, Medaillen, Uniformen und Insignien. Studium der Geschichte, Numismatik und Museumskunde; Ausbildung zum wissenschaftlichen Bibliothekar und Offizier im Bundesheer.
Nach dienstlichen Verwendungen im Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum (Narrenturm) und der Österreichischen Nationalbibliothek, bin ich seit Jänner 2016 im Heeresgeschichtlichen Museum tätig. Neben der k.u.k. Armee von 1848-1918, gilt mein persönliches Interesse vor allem der Geschichte des österreichischen Bundesheeres der Ersten und der Zweiten Republik; zahlreiche Publikationen zur Phaleristik (der wissenschaftlichen Ordenskunde) und Militärgeschichte.

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