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Objekt des Monats Jänner/Objekt des Jahres 2024

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k. k. Linieninfanterie im Gefecht

Wilhelm Richter (1824 – 1892)

Öl auf Holz, 32 x 26 cm; signiert/datiert: „1844 | Wilh: Richter“; Inv. Nr. 2023/15/648; Ankauf aus Aktion Dorotheum Wien

Die sogenannte „lange Friedensperiode“ zwischen dem Wiener Kongress 1815 und den Revolutionsjahren 1848/49 war nicht ganz so ungetrübt, wie die gängige Meinung im Allgemeinen lautet. Vor allem in den nicht-deutschsprachigen Gebieten der Monarchie kam die k. k. Armee auch in der Zeit des „friedlichen Biedermeier“ mehrmals zum Einsatz. Um jede revolutionäre Bewegung bereits im Keim zu ersticken, einigten sich die Großmächte auf verschiedenen Konferenzen im Rahmen des Bündnisses der Heiligen Allianz von 1815 zu prompten militärischen Interventionen im Fall von revolutionären Entwicklungen. Die Habsburgermonarchie nahm vor allem im italienischen Raum diese Funktion auf rigorose Weise wahr.[1] So schlugen ihre Truppen 1821 den Neapolitanischen Aufstand im Königreich beider Sizilien nieder, 1831 revolutionäre Unruhen in Modena, Parma und Piacenza sowie im Kirchenstaat. Auch am Balkan entlang der Militärgrenze gab es kriegerische Auseinandersetzungen. So fand am 19. Mai 1835 ein Gefecht zwischen osmanischen und habsburgischen Truppen bei Kulen Vakuf statt. Im Juli 1836 wurde die Ortschaft Izacic bei Kämpfen, in denen die Verluste auf österreichischer Seite 140, auf osmanischer Seite 500 Tote und Verwundete betrugen, fast zur Gänze zerstört.[2] 1838 nahmen Österreicher an Kämpfen in Montenegro teil. Aber vor allem in Italien sollte das Weiß der österreichischen

Infanterie-Uniformen infolge dieser militärischen Interventionen zum Inbegriff und Symbol des Neoabsolutismus und der Unterdrückung werden.[3]

Welches Gefecht Wilhelm Richter im gegenständlichen Gemälde von 1844 meinte, kann nicht exakt festgestellt werden, zu schemenhaft sind Gebäude, Landschaft und der Gegner in der Bildkomposition dargestellt. Für den Fall, dass er dies so beabsichtigt hatte, stellte er sich damit ganz in die Tradition des barocken, dekorativen Schlachtenbildes, wo die Künstler dieser Epoche ebenso kein bestimmtes Ereignis oder einen bestimmten Ort gemeint hatten, sondern viel mehr Wert gelegt hatten, Bewegungen und Effekte darzustellen. Diese Gattung des militärischen Genrebildes war vor allem für Kenner bestimmt, die sich an ihnen erfreuen sollten und wollten. So zeigt Wilhelm Richter in der Bildmitte einen Stabsoffizier des k. k. 1. Walachen Grenz-Infanterieregiments Nr. 16 (später Infanterieregiment Nr. 46), der seinem Untergebenen, einem Subalternoffizier im Rang eines Leutnants oder Oberleutnants, etwas zuruft und mit dem Säbel in Richtung der gegnerischen Kampflinie weist. Seine Verwundung wird vom Regiments-Feldarzt notdürftig versorgt, ein Infanterist „spendet“ für die Wundreinigung das Wasser aus seiner Feldflasche. Im Mittelgrund schreitet k. k. Linieninfanterie – nomen est omen – in Linie auf den Gegner zu. Ganz im Hintergrund ist österreichische Kavallerie vor zerstörten Häusern dargestellt.

Wie in der Schlachten- bzw. Kriegsmalerei dieser Zeit üblich, wird das Grauen des Krieges kaum oder überhaupt nicht abgebildet. Heroismus fand im Auge des Betrachters mehr Gefallen als die grausame Realität. In der rechten Bildhälfte sehen wir zwar einen verwundeten oder gefallenen österreichischen Soldaten, jedoch kein Blut, nicht einmal an der Wunde des sitzenden Offiziers in der Bildmitte. Die schaurigen Details wollten die Künstler dem interessierten Publikum ersparen. Dies behielt auch Richter, wie hier in einem Frühwerk von 1844, das er im Alter von 20 Jahren malte, in allen seinen Bildern bei, zumindest in jenen, die bekannt sind; und das obwohl er einer der wenigen Militärmaler des 19. Jahrhunderts war, der tatsächlich bei Feldzügen, Gefechten und Schlachten persönlich dabei war. So nahm er bereits 1848/49

als Kriegsmaler im Hauptquartier der kaiserlichen Armee am Feldzug in Oberitalien teil, ebenso am Feldzug von 1859 ebenda. Die grausamen Details des Krieges waren ihm also mit Sicherheit bekannt, doch hielt sich der Künstler, der unter den berühmten Malern Leopold Kupelwieser (1796 – 1862) und Johann Nepomuk Ender (1793 – 1854) an der Wiener Akademie studiert hatte, stets an das Paradigma der Zeit, diese auszusparen. Er war einer der Hauptmeister des österreichischen militärischen Genrebildes des 19. Jahrhunderts, das ganz ohne Darstellungen von Kriegsgräueln auskam, auch mit ein Grund, weswegen diese wohl in den Adels- und Militärkreisen seiner Zeit sehr beliebt waren.

[1] Peter Fichtenbauer – M. Christian Ortner (Hg.), Die Geschichte der österreichischen Armee von Maria Theresia bis zur Gegenwart, Wien 2015, S. 86.
[2] Martin Gabriel, Bosnien und die Herzegowina in den militärstrategischen Planungen der Habsburgermonarchie (1700–1870), https://www.kakanien-revisited.at/beitr/fallstudie/mgabriel2.pdf, [20.12.2023].
[3] Fichtenbauer, Ortner (Hg.), Die Geschichte der österreichischen Armee, S. 86.

Walter Albrecht

HR Dr. Walter Albrecht
Kunsthistoriker und Historiker sowie Sammlungsleiter Kunst im Heeresgeschichtlichen Museum/Militärhistorischen Institut. Gemeinsam mit meinen sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bin ich für die Verwaltung aller Objekte mit kunsthistorischem Bezug wie Gemälde, Druckgrafiken, Aquarelle und Handzeichnungen, Skulpturen und Plastiken sowie Miniaturen zuständig. Dies umfasst u. a. Ausstellungswesen, Leihverkehr, Akquisition, Konservierung, Restaurierung und Depotwesen. Meine Forschungsinteressen liegen in der Kunst- und Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, besonders des Dreißigjährigen Krieges; sowie der Kunst des Ersten Weltkrieges mit dem Schwerpunkt Kriegsmaler im k.u.k. Kriegspressequartier.

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