Mit dem Übergang zum Stellungskrieg an den Fronten der k. u. k. Armeen musste in den dahinterliegenden Etappenräumen eine speziell auf die Erfordernisse dieses Kampfverfahrens entwickelte Infrastruktur geschaffen werden. Dazu zählten auch jene Gebäude, die zur Bekämpfung der Fleckfieberepidemien errichtet worden waren. Schon im ersten Kriegswinter 1914 gewann die k. u. k. Armeeführung nämlich die Erkenntnis, den Kampf gegen das Fieber nur durch die Ausschaltung des Überträgers, der Kleiderlaus, gewinnen zu können.
Um die Epidemie im Armeebereich eindämmen zu können, bediente sich die k. u. k. Armee der mechanischen Seuchenbekämpfung. Mit dieser Hygienetechnik war eine bauliche Infrastruktur mit Bade-, Wäscherei- und Desinfektionsanstalten verbunden. Die mechanische Seuchenbekämpfung wurde ursprünglich für das Hinterland entwickelt, da mit dem massenhaften Eintreffen der ersten Kriegsgefangenen verheerende Fleckfieberepidemien in den Lagern der Monarchie ausbrachen. Es galt, die Kriegsgefangenen arbeitsfähig zu machen sowie ein Ausbreiten auf die Bevölkerung zu verhindern. Die hier angewandte Bauhygiene samt ihrer modernen Hygienetechnik gelangte nun zum Jahreswechsel 1915 in den Etappenraum. Bis 1918 entstanden durch kontinuierliche Weiterentwicklungen große Entlausungszentren im Rücken der Armeen, natürlich stets mit dem Ziel, die Kampfkraft der Soldaten zu erhalten. Die Entlausungszentren bestanden entweder aus Baracken oder es wurden bereits vorhandene Gebäude des Etappenraums dafür adaptiert. Die dafür notwendige Infrastruktur galt als eine Höchstleistung der damaligen Ingenieurskunst, mussten doch ebenso alle organisatorischen Details, wie die Wasserversorgung, der Feuerschutz, die Kanalisation, die Isolation der verdächtigen Soldaten sowie ihre Aufnahme in Epidemiespitäler vor Ort, die ärztliche Betreuung an sich oder sogar die Seifenproduktion geplant werden.
Das Innere einer Entlausungsanstalt funktionierte wie eine Desinfektionsschleuse, die nach dem Prinzip von reinen und unreinen Räumen angelegt war. Dies betraf etwa separate Ein- und Ausgänge mit jeweils eigenen Toiletten oder voneinander getrennte Ein- und Ausgabestellen für die Monturen oder Wertgenstände der Soldaten.
Durch diese Bauhygiene kamen infizierte und desinfizierte Soldaten samt ihrer kontaminierten oder gereinigten Montur miteinander nicht in Kontakt. Eine gut ausgebaute Entlausungsanstalt besaß zudem eine Wäscherei, eine eigene Haarschneide- und Rasierstube, Offiziersbäder, Warteräume sowie Wasch-, Desinfektions- und Trockenräume samt einem Maschinenraum sowie einen Manipulations- und Bügelraum.
In unmittelbarer Nähe waren geeignete Unterkünfte für die Soldaten, das Personal und Pferde angesiedelt.
Der Vorgang der Entlausung wurde bis 1918 immer umfassender. Ein Beispiel der k. u. k. 11. Armee am italienischen Kriegsschauplatz, wo aufgrund des permanenten Stellungskrieges auch die größten Entlausungszentren im Feld betrieben werden konnten, gibt uns ein Beispiel:
Die Soldaten wurden zunächst im Warteraum in Gruppen eingeteilt. Die einzelnen Gruppen durchliefen nacheinander die Anstalten damit auch deren Monturen in ihrer Aufenthaltszeit in den zur Verfügung stehenden Desinfektoren vom Ungeziefer befreit werden konnten. Der Kommandant einer Gruppe musste streng auf die tatsächliche Befolgung der Regeln und der Hygiene achten.
Die zum Baden an die Reihe gekommene Gruppe betrat zunächst den Auskleideraum, wo sie einen Sack, eine kleinere Tasche sowie vier nummerierte Blechtäfelchen erhielt. In den Sack steckte der Soldat all seine vorhandenen Wäschestücke, Decken und Monturen, worauf er ein Blechtäfelchen befestigte und für die halbstündige Desinfektion abgab.
Das zweite Blechtäfelchen befestigte er an seinen Schuhen, das dritte an seinem Rucksack und das vierte an jenem kleinen Beutel, der für Wertsachen und Orden vorgesehen war. Diesen Beutel hängte er sich sodann um den Hals. In manchen Entlausungsstationen gaben die Soldaten ihre Wertsachen in einer eigenen Station ab.
Die am Körper anliegende Unterwäsche legte der Soldat in einen für ihn bereitgestellten Kübel mit einer fünfprozentigen Kresolseifenlösung, wo sie zwei Stunden einweichte. Den Soldaten schnitt einstweilen ein Friseur alle Kopf- und Körperhaare.
Daraufhin wurden sie von speziellem Personal am Kopf mit Petroleum und am Körper mit Benzin eingerieben.
So mussten die Soldaten 20 Minuten verweilen, um daraufhin den Bade- bzw. Duschraum mit einem Stück Seife zu betreten. Waren zu viele Personen in diesem Raum oder war die Anstalt an sich zu klein, mussten sich zwei in eine Badewanne setzen.
Nach dem Waschen bekamen die Männer ein Handtuch, das sie aber nicht in den Ankleideraum mitnehmen durften. Hier sah ein Arzt nach, ob die Soldaten noch immer verlaust oder mit Nissen übersäht waren.
Nun erhielten sie einen Spitalskittel und Holzpantoffel und warteten, bis ihre Monturen beim Ausgabefenster durchgereicht wurden. Dort gaben sie auch den Kittel, die Pantoffel sowie den Beutel für die Wertsachen ab.
Im Ankleideraum zogen sie sich ihre Montur wieder an und verließen darauf die Anstalt, wobei der Kommandant scharf darauf achten musste, dass die noch verlauste und die bereits gereinigte Mannschaft seines Trupps keinerlei Kontakt miteinander hatten.
Die Wäsche hatte inzwischen ebenso ihren eigenen Desinfektionsweg durchlaufen. Nach der Abgabe kam sie in den Sortierraum, wo Wäsche, Leder und Stoffmonturen gesondert wurden, denn für jede Sorte musste eine andere Entlausungsmethode angewandt werden. Die Wäsche kam über eine Bodenöffnung in eine Lysolkammer, für Leder gab es Schwefelkammern und für alle anderen Sorten gab es die Dampfdesinfektoren. Das Trocknen der Wäsche erfolgte wiederum in einem eigenen Apparat.
In solchen Entlausungszentren konnten täglich bis zu 10.000 Soldaten entlaust und deren Monturen zeitgleich desinfiziert werden. Wo es die operative Situation nicht zuließ, um die Soldaten zur Entlausung abzuziehen, versuchten die Armeekommanden mit mobilen Badeeinrichtungen, Desinfektionskolonnen oder sogar ganzen Bade- und Desinfektionszügen dem Fleckfieber Einhalt zu gebieten.
Diese mobilen Entlausungskolonnen hatten eigenes Personal und einen Arzt, womit sie bis zu 300 Mann an einem Tag entlausen konnten.
wirklich interessant – der laie macht sich ja keine vorstellung, wie es wirklich war
Spannender Beitrag, danke!