HGM Wissensblog

Vom Säubern der Schlachtfelder im Ersten Weltkrieg

Schlachtfeldassanierung an der Ostfront. (HGM)

Um Epidemien und „hygienische Überstände“ bei der Armee im Felde sowie bei der im Etappengebiet hinter der Front verbliebenen Zivilbevölkerung zu verhindern, mussten die Schlachtfelder nach dem Kampf gesäubert werden. Die Notwendigkeit, Schlachtfelder zu säubern war schon vor dem Ersten Weltkrieg von der Armeeführung in der Etappenvorschrift festgehalten worden und meinte ganz allgemein das Eingraben der toten Soldaten und der Tierkadaver abseits von Wohngebieten, nämlich in eineinhalb beziehungsweise zwei Metern Tiefe. Wo sich der Boden für eine Beerdigung nicht eignete, so in der Vorschrift zu lesen, mussten die Leichen verbrannt werden. Die Säuberung wäre während und kurz nach verlustreichen Kämpfen durchzuführen gewesen, wobei sie vom höchsten anwesenden Kommando befohlen werden und entweder gleich durch die operierenden oder durch die nachrückenden Etappentruppen geschehen sollte. Die Säuberung durch Zivilsten wiederum wäre nur unter strenger Bewachung zulässig, wobei die Gemeinden dafür Arbeiterabteilungen organisieren konnten.1 Soweit die Theorie. Mit Kriegsbeginn kämpften die Truppen jedoch vielmehr mit den jeweiligen Problemen, die sich aus den spezifischen Kriegsschauplätzen und den Kampfhandlungen ergaben.

An der Ostfront brach schon unmittelbar nach Kriegsbeginn eine Choleraepidemie aus, was die Notwendigkeit mit sich brachte, nicht nur die Gefallenen, sondern auch die Choleratoten zu bestatten. Dabei gingen die Truppen nicht immer nach Lehrbuch vor, was mehrere Beschwerden über unsachgemäße Beerdigungen belegen. Im Oktober kam es beispielsweise zu Beanstandungen einer Schlossbesitzerin im Bezirk Gorlice, weil man Choleratote einfach in ihrem Schlosspark vergraben habe, ohne irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen eingehalten zu haben.2 Kein Einzelfall, denn im Dezember 1914 zeigte die galizische Statthalterei dem Etappenoberkommando (EOK) an, dass während der Einleitungsfeldzüge Leichen von an Cholera verstorbenen Soldaten nicht am Friedhof, sondern zunächst sogar in größter Eile nahe von Wohnhäusern begraben wurden, um daraufhin wieder exhumiert und nochmals an einem anderen Platz begraben zu werden. Ein solches Vorgehen, so die Statthalterei, war „in sanitärer Hinsicht gefährlich“ und unnötig. Die Armee-Etappenkommandos müssten daher endlich Vorsorgen treffen, dass solche Verfehlungen nicht mehr passieren würden. Es räumte aber auch ein, dass es am Schlachtfeld oftmals nicht möglich sein werde, die Leichen in entsprechender Entfernung von den Wohnhäusern einzugraben.3

Exhumierungsarbeiten im Etappenbereich der k.u.k. 1. Armee, um 1915. (o. A., Im Etappenraum der 1. Armee, Wien o. J.)

Im November 1915 schuf das Militärkommando Krakau erstmals eine eigene Kriegsgräberabteilung, da die Truppen an der Ostfront die Beerdigungen bislang nur flüchtig und zerstreut vornahmen.4 Letztendlich sollte die organisierte Schlachtfeldsäuberung zur Reform des Kriegsgräberwesens im Bereich der Armee im Felde beitragen.5 Im Dezember 1915 erkannte das Kriegsministerium mit der Einrichtung einer übergeordneten Kriegsgräberabteilung den vollen Umfang der gründlich durchgeführten Schlachtfeldsäuberung.6 Sie war nicht nur vom Hintanhalten von Seuchen getrieben, sondern auch von Pietätsgründen. Einerseits führte die Reorganisation der Kriegsgräberfürsorge zur organisierten Bestattung gefallener Soldaten, andererseits sollten seit Dezember 1915 alle bisherigen Gräber neu ausgehoben werden, damit die Toten in Evidenz genommen, namentlich vermerkt oder sogar gut gelegene bestehende Gräber künstlerisch aufgewertet werden.

Zunächst musste jedoch das notwendige Personal requiriert werden, denn weder die Kommanden, noch das Armeeoberkommando (AOK) konnte aus ihren Ressourcen diese wirklich umfangreichen Tätigkeiten durchführen.7 Resultat war eine Lockerung der besagten Etappenvorschrift, da die Bevölkerung forciert herangezogen werden konnte, andererseits wurden die bisherigen Arbeiterabteilungen seit Dezember 1915 zu eigenen Schlachtfelderaufräumungs-Abteilungen umstrukturiert. Sie bestanden aus 240 Kriegsgefangenen, einem Kommandanten und dem Hilfspersonal. Die Abteilungen mussten ihren Standort zweckentsprechend wählen, einen Postanschluss besitzen sowie stets auch telegrafisch zu erreichen sein. Den Abteilungen übergeordnet existierte an der Ostfront in Tarnów das Schlachtfeldräumungskommando, das für die Erzeugung der Kreuze sowie für das Werkzeug und den Materialzuschub an die Abteilungen zuständig war.

Anfertigen von Grabinschriften (o. A., Im Etappenraum der 1. Armee, Wien o. J.)

Zukünftig sollten die Armeekommandos die Vorgänge auf den Schlachtfeldern an die Militärkommanden weiterleiten, welche sodann eine Karte des Schlachtfeldes erstellten und an die Abteilungen aushändigten. Zunächst waren die Abteilungen aber bis Februar 1916 vermehrt aufgefordert, die bestehenden Gräber entweder zu künstlerisch gestalteten Heldenfriedhöfen und Kriegsdenkmälern auszubauen, oder nach Auskundschaften des Gebietes neu zu errichten. Die bestehenden Massen- oder Einzelgräber sollten auch bei ihrer Verlegung wie vorgefunden weiterbestehen. Sofern Soldaten auf den zivilen Ortsfriedhöfen beerdigt waren, so verlegten die Abteilungen sie – wenn keine Infektionskrankheiten bekannt waren – in die neu geschaffenen, denkmalhaften Soldatenfriedhöfe. Fanden die Abteilungen persönliche Gegenstände bei den Leichen, desinfizierte sie das Kommando mittels Schwefel- oder Karbollösung und schickte sie dem Militärkommando. Gleich, ob nach einer Schlacht oder eben bei den Verlegungen beziehungsweise künstlerischen Aufwertungen der Gräber, zukünftig galt es die Soldaten nicht mehr schnell eineinhalb Meter tief zu begraben und dann weiterzuziehen, sondern es sollte ihrer gedacht werden können, indem sie mit einer 50cm hohen Aufschüttung samt Rasenziegeln an bedeutenden Punkten der ehemaligen Schlachtfelder begraben werden mussten.8

Heldengräber im Etappenraum der k.u.k. 1. Armee, um 1915. ((o. A., Im Etappenraum der 1. Armee, Wien o. J.)

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1 o.A., E-57. Entwurf. Etappenvorschrift (zu Abt.5 Nr. 7800 res. vom Jahre 1912). Ausschließlich für den Dienstgebrauch (Wien 1912), 31-32, 102.

2 AT-OeStA/KA FA NFA HHK AK 3. Armee EKdo 320/ 747, k.u.k. 3 AK/AEK an die k.k. Statthalterei Präsidium in Biala und das k.u.k. EOK in Neusandez, Przemyśl am 23.10.

3 AT-OeStA/KA FA NFA HHK AK 3. Armee EKdo 303/ 747, k.u.k. EOK O. Nr. 12.949 an das k.u.k 3.AEK, Standort des EOK am 4.12. Beerdigung von Soldatenleichen in der Näher der Wohnhäuser

4 AT-OeStA/KA FA AOK QuAbt. Akten 1637/ 7423, k.u.k. Militärkommando Krakau M.A. Nr. 51.102, am 3.12.1915. Aufräumen der Schlachtfelder – Bestimmungen für die kgf ArbeiterAbten.

5 AT-OeStA/KA FA AOK QuAbt. Akten 1637/ 7423, K.u.k. Militärkommando Krakau M.A. Nr. 1912 an die Quartiermeisterabteilung des kuk AOK in Feldpost Nr 51. Krakau am 18. Jänner 1916. Säuberung der Schlachtfelder – Stand der Arbeiten.

6 Thomas Reichl, Das Kriegsgräberwesen Österreich-Ungarns im Weltkrieg und die Obsorge in der Republik Österreich. Das Wirken des Österreichischen Schwaren Kreuzes in der Zwischenkriegszeit (=Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums Bd. 27, Wien 2019), 63. -71.

7 AT-OeStA/KA FA AOK QuAbt. Akten 1637/ 7423, AOK an Militkommando Krakau, Standort des AOK am 27.1.11916. Einräumungsarbeiten.

8 AT-OeStA/KA FA AOK QuAbt. Akten 1637/ 7423, k.u.k. Militärkommando Krakau M.A. Nr. 51.102, am 3.12.1915. Aufräumen der Schlachtfelder – Bestimmungen für die kgf ArbeiterAbten.

Thomas Edelmann

Mag. Dr. Thomas Edelmann, MAS
Ich bin Historiker mit einer postgradualen museologischen Ausbildung, die ich an der Universität für angewandte Kunst Wien absolviert habe. Im Museum bin u.a. für die digitale Kommunikation zuständig, angefangen von der Website über den Blog bis hin zu allen Social-Media-Kanälen. Andererseits bin ich als Forscher im Militärhistorischen Institut tätig, wo ich gegenwärtig am Forschungsprojekt „Vom Leib zum Körper. (Be-)Musterung von Militärpflichtigen und ihre Konstituierung zum Soldaten 1858 - 1918“ arbeite. Meine Forschungsinteressen sind die Geschichte der Habsburgermonarchie 1789 - 1918, der Erste Weltkrieg mit dem Schwerpunkt auf das Etappenwesen der österreichisch-ungarischen Armee sowie – um über die Grenzen Europas zu blicken – die mexikanische (Kultur-) Geschichte.

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