HGM Wissensblog

Objekt des Monats September 2022

„Zu Gast in der Wirtsstube“
Wilhelm Richter (1824 – 1892)

Ankauf Auktion

Öl/Leinwand, 32 x 40 cm; signiert/dat. „W. Richter 1844“.

Wilhelm Richter, der unter den berühmten Malern Leopold Kupelwieser (1796-1862) und Johann Nepomuk Ender (1793-1854) an der Wiener Akademie studierte, war einer der wenigen Militärmaler des 19. Jahrhunderts, welche tatsächlich bei Feldzügen, Gefechten und Schlachten persönlich dabei waren, so nahm Richter bereits 1848/49 als Kriegsmaler im Hauptquartier der kaiserlich-österreichischen Armee am Feldzug in Oberitalien teil, ebenso am Feldzug von 1859 ebenda. Worauf Richter in seinen Darstellungen und Bildkompositionen besonderen Wert legt, ist vor allem die Vielfalt und die Multinationalität der k. k. Armee, sowie die angebliche Gemütlichkeit, mit der es in der Armee zugehen soll. Besonders augenscheinlich wird dies in der Darstellung „Österreichisches Infanterielager in der Lombardei, 1858“  (Öl auf Leinwand, signiert datiert „Richter | Mailand 1858“, HGM/MHI Inv. Nr. 2013/15/104, ausgestellt im Saal IV „Radetzkysaal“). So auch hier in dieser Genreszene, in welchem Richter dem Betrachter einen Einblick in die Stube eines Wirtshauses gewährt.

Wilhelm Richter: Zu Gast in der Wirtsstube (HGM)

In fröhlich zechender Runde sind (v. l. n. r.) dargestellt: ein Soldat des k. k. Infanterieregiments Nr. 4 „Hoch- und Deutschmeister“, sich eine Pfeife anzündend; ein Soldat des ungarischen Infanterie-Regiments Nr. 19 mit Tschako in Rückenansicht, ebenso Pfeife rauchend; dominant in der Mitte des Raumes stehend ein Unteroffizier der Kürassiere oder Dragoner und rechts im grünen Rock ein Unteroffizier der Chevauxlegers, der seinem Kameraden mit einem Schnapsglas zuprostet. Es ist kein reines „Militärbild“, denn es sind auch Zivilisten „anwesend“. Sitzend, mit erhobenem Glas, ist ein Pferdeknecht dargestellt, von hinten berührt ihn eine Dame mit ermahnendem Blick an den Schultern. Ein weiterer Pferdeknecht unterhält sich mit dem ungarischen Infanteristen mit Tschako in der linken Bildhälfte, ganz rechts außen sorgt ein Schankbursch für Getränkenachschub. Von der Tracht der Zivilisten her dürfte sich die Szene in Ungarn abspielen.

Wir sehen ein typisches spätbiedermeierliches Genrebild der Zeit, die Botschaft, die auf den Betrachter wirken soll ist offensichtlich: Komm zur Armee, da geht es gemütlich und lustig zu, es wird zünftig gebechert und schöne Frauen gibt es auch. Die militärische Ordnung ist gleichsam aufgelöst, die Gemütlichkeit steht im Zentrum. Es handelt sich um ein Frühwerk Wilhelm Richters, welches er im Alter von 24 Jahren in seiner ganzen Begeisterung für die k. k. Armee angefertigt hatte.

Walter Albrecht

HR Dr. Walter Albrecht
Kunsthistoriker und Historiker sowie Sammlungsleiter Kunst im Heeresgeschichtlichen Museum/Militärhistorischen Institut. Gemeinsam mit meinen sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bin ich für die Verwaltung aller Objekte mit kunsthistorischem Bezug wie Gemälde, Druckgrafiken, Aquarelle und Handzeichnungen, Skulpturen und Plastiken sowie Miniaturen zuständig. Dies umfasst u. a. Ausstellungswesen, Leihverkehr, Akquisition, Konservierung, Restaurierung und Depotwesen. Meine Forschungsinteressen liegen in der Kunst- und Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, besonders des Dreißigjährigen Krieges; sowie der Kunst des Ersten Weltkrieges mit dem Schwerpunkt Kriegsmaler im k.u.k. Kriegspressequartier.

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